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Putins Vasallen links und rechts

Auf der falschen Seite der Geschichte: AfD und BSW boykottieren die Rede des ukrainischen Präsidenten im Bundestag, weil sie zwischen Opfer und Täter nicht unterscheiden wollen.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bei seiner Rede im Bundestag
Foto: IMAGO/Lorenz Huter (www.imago-images.de) | Zwei Fraktionen des Bundestags haben die Rede des ukrainischen Präsidenten gestern bewusst boykottiert: die nationalistische AfD und die linkspopulistische BSW-Truppe von Sahra Wagenknecht.

Wenn Abgeordnete die Rede eines ausländischen Staatsoberhauptes im Deutschen Bundestag vorsätzlich boykottieren, ist das jedenfalls unhöflich und ein Zeichen schlechter Manieren. Wenn es sich jedoch um den demokratisch gewählten Präsidenten eines Landes handelt, das von einer imperialistischen Despotie überfallen wurde und um sein Überleben kämpft, dann ist ein solcher Boykott auch ein politischer Skandal und moralisches Totalversagen.

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Zwei Fraktionen des Bundestags haben die Rede des ukrainischen Präsidenten gestern bewusst boykottiert: die nationalistische AfD und die linkspopulistische BSW-Truppe von Sahra Wagenknecht. Statt aufmerksam oder wenigstens höflich zu lauschen, was der Präsident einer Opfernation den Deutschen zu sagen hat, stellten sie sich auf die Seite des Täters: Die AfD verhöhnte Wolodymyr Selenskyj als „Kriegs- und Bettelpräsident“; das BSW warf ihm gar vor, „eine hochgefährliche Eskalationsspirale zu befördern“ und das Risiko eines atomaren Konflikts in Kauf zu nehmen.

Nichts aus der Geschichte gelernt

Ja, der ukrainische Präsident muss um Unterstützung betteln, weil die Ukraine der russischen Übermacht alleine nicht standhalten kann und auf Solidarität angewiesen ist, um zu überleben. Angesichts der anhaltenden russischen Vergewaltigungen, Entführungen und Morde, der schauerlichen Kriegsverbrechen der russischen Truppen in der Ukraine und des drohenden Genozids in den russisch besetzten Gebieten wird der AfD-Spott zur moralischen Mittäterschaft.

Moralisch nicht weniger fragwürdig ist, dass das postkommunistische BSW dem Opfer – statt dem Täter – Eskalation vorwirft. Sollte dem BSW entgangen sein, dass die Ukraine vor drei Jahrzehnten freiwillig auf ihre Atomwaffen verzichtete, also nur Genosse Putin einen atomaren Konflikt auslösen kann? Wahrscheinlicher ist, dass das BSW zynisch genug ist, dem Gesinnungsfreund im Kreml die Ukraine ganz gerne zu überlassen – für den Frieden in Deutschland, und weil es ja nicht um die eigene Zukunft geht.

Die politischen Ränder in Deutschland haben weder aus der dramatischen Schuldgeschichte des 20. Jahrhunderts noch aus den Genoziden der vergangenen 110 Jahre gelernt. Ihre demonstrative Verachtung für das Völkerrecht beschädigt Deutschlands Ruf in der Welt. Kaltschnäuzig würden sie die Ukrainer über Putins tödliche Klinge springen lassen. Mit ihrem Verhalten gegenüber Selenskyj spielen sie vorsätzlich, und nicht bloß fahrlässig dem Aggressor Putin in die Hände.

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