Kommentar um "5 vor 12"

Putin in seiner Parallelwelt

Russlands Präsident verklärt seinen zerstörerischen Staatsterrorismus als heroischen Abwehrkampf gegen die „Feinde Russlands“.
Für Putin gibt es weder Völkerrechtsbruch noch Kriegsverbrechen
Foto: IMAGO/Anton Novoderezhkin (www.imago-images.de) | Es ist das Zerrbild eines von Amerika und seinen Marionetten in seiner Freiheit bedrohten Russland, das Putin am Montag bei den Feierlichkeiten zum 9. Mai zeichnete.

Kriegsziele oder Friedenschancen skizzierte der russische Präsident am Montag bei seinem mit Spannung erwarteten Auftritt auf dem Roten Platz in Moskau nicht. Aber seinem Narrativ blieb Wladimir Putin bei der großen Militärparade anlässlich des Sieges im Zweiten Weltkrieg treu. Die „Nazis und Bandera-Banditen“ (so Putins Schimpfwörter für die Ukrainer), die naiven Satellitenstaaten Washingtons in Europa, die aggressive NATO und vor allem die „russophoben“ Vereinigten Staaten von Amerika sind laut Putin für jenen Krieg verantwortlich, der in Russland nicht einmal so genannt werden darf.

Für Putin gibt es weder Völkerrechtsbruch noch Kriegsverbrechen

Ganz und gar unschuldig ist in dieser Sicht die russische Führung, die den Westen vergeblich zu einem „ehrlichen Dialog“ aufgerufen habe, die zusehen musste, wie „die Gefahr von Tag zu Tag wuchs“, die schließlich keine andere Möglichkeit mehr gehabt habe als „einen präventiven Schlag“ auszuführen. Es ist dieses Zerrbild eines von Amerika und seinen Marionetten in seiner Freiheit bedrohten Russland, das Putin am Montag zeichnete. Die USA würden fast die ganze Welt erniedrigen, „aber Russland hat einen anderen Charakter“, so der Kremlchef in Anwesenheit von Patriarch Kyrill. Russland kämpfe für „den eigenen Glauben, die eigenen Werte“.

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Putin pries seinen „gerechten Kampf für Russland“ – als gebe es keinen Völkerrechtsbruch und keine Kriegsverbrechen, nicht die mutwillige Bombardierung von Wohnhäusern und Schulen, von Kirchen und Synagogen, nicht die massenhaften Vergewaltigungen und Verschleppungen von Zivilisten, nicht die Plünderung von Lebensmitteln und Kunstschätzen.

Das Propagandabild des sowjetischen Sieges im Zweiten Weltkrieg übertrug Russlands Präsident einfach auf seine Invasion im Nachbarland: Die mordende, vergewaltigende und plündernde Truppe samt ihrer Söldner präsentierte er als heroische Befreier eines von ukrainischen „Nazis“ terrorisierten Donbass.

Putins Parallelwelt ist so weit von der Wirklichkeit dieses Krieges entfernt, dass kein Argument und keine Zusammenstellung von Fakten ihn noch erreichen dürfte. So bleibt wohl nur ein militärisches Scheitern, eine umfassende Niederlage als ultimativer Weg, ihn – oder eine alternative Führung Russlands – auf den Boden der Realität zurückzuholen.

Weitere Hintergründe zu Russlands Krieg gegen die Ukraine lesen Sie in der kommenden Ausgabe der "Tagespost".

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Stephan Baier Russlands Krieg gegen die Ukraine Kriegsverbrechen NATO Nationalsozialisten Wladimir Wladimirowitsch Putin

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