Manchmal wirkt Donald Trump wie ein trotziges, wütendes oder beleidigtes Kind. Aber ist das schon eine ausreichende Erklärung dafür, dass er dem russischen Präsidenten Wladimir Putin jetzt bescheinigt, dieser sei „absolut verrückt geworden“? Lange hatte Trump den Kremlchef geradezu charmant umworben, hatte seine absurden Narrative übernommen, ihm übereilte Zugeständnisse gemacht, die Ukrainer öffentlich gedemütigt, brüskiert und in die Schranken gewiesen. Alles schien auf einen russisch-amerikanischen Frühling hinzudeuten, auf eine Verständigung zwischen Moskau und Washington – gerne auch auf Kosten der Ukraine und zulasten der Europäer.
Und nun das: Seit Tagen wettert der US-Präsident gegen Putin. O-Ton Trump: „Was Wladimir Putin nicht begreift, ist, dass Russland ohne mich bereits viele wirklich schlimme Dinge passiert wären – und ich meine wirklich schlimme.“ Ist Donald Trump einfach nur beleidigt, weil der Kollege im Kreml seinem Friedenswerben nicht nachgibt, seinen Vorschlag zu Friedensverhandlungen im Vatikan durch Außenminister Lawrow abschmettern ließ und an einem Deal mit Washington augenscheinlich wenig interessiert ist? Oder hat Trump jetzt endlich – nach dreieinhalb Jahren vollumfänglichen russischen Zerstörungskriegs gegen die Ukraine – begriffen, wer in diesem „Konflikt“ Täter und wer Opfer ist?
Verletztes Ego, beschädigtes Prestige
Auch wenn sich vieles in Trumps Außenpolitik einer rationalen Einordnung entzieht, so ist eines doch offensichtlich: Trumps Wettern gegen Putin entspringt nicht seiner durchaus spürbaren Launenhaftigkeit. Seine Friedensbemühungen waren zwar weder selbstlos noch moralisch einwandfrei, aber doch nicht ohne Rationalität: Trump will tatsächlich einen raschen und dauerhaften – wenn auch nicht unbedingt einen gerechten – Frieden mit Russland, weil das nach seiner Auffassung schlicht den Interessen Amerikas entspricht. Frieden in der Ukraine würde etwa bedeuten, dass sich die USA schneller und leichter aus Europa zurückziehen können, und dass sie sich vehementer und fokussierter dem großen, globalen Konflikt mit China stellen können.
Gewiss, ein rascher Friedensschluss zwischen Russland und der Ukraine (egal, um welchen Preis und zu welchen Konditionen) wäre auch ein Prestigeerfolg für Trump, der ja im Wahlkampf große Töne gespuckt hat, er könne den Krieg binnen 24 Stunden beenden. Jetzt merkt der nach eigener Auffassung größte Dealmaker der Weltpolitik, dass Putin an einem Deal gar nicht interessiert ist – und zwar völlig unabhängig davon, welche und wie viele Teile der Ukraine ihm der US-Präsident noch anbietet.
Stattdessen attackiert Russland das leidgeprüfte Nachbarland immer weiter und immer heftiger. Das alles kratzt am Ego wie am Prestige von Donald Trump. Aber es geht um mehr: In Washington hat man aus guten Gründen China – und nicht Russland – als den globalen Herausforderer der Gegenwart identifiziert. Deshalb träumte Trump davon, einen Keil zwischen Putin und Xi Jinping zu treiben, Russland auf seine Seite zu ziehen und China zu isolieren. Das jedoch erweist sich nun als Illusion.
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