Das Gipfeltreffen zwischen Xi Jinping und Donald Trump fand am 30. Oktober statt, doch wissen wir bis heute nicht, was dort besprochen wurde. US-Präsident Trump verkündete noch auf dem Rückflug nach Washington, das Gespräch sei sehr gut verlaufen und man habe in allen wesentlichen Fragen eine Einigung erzielt. Dabei sprach er über den gesenkten Zollaufschlag für Fentanyl-Vorprodukte und über Xis Zusage, den illegalen Export von Fentanyl in die USA zu unterbinden. China habe seine Exportkontrollmaßnahmen für Seltene Erden um ein Jahr ausgesetzt. Darüber hinaus habe Xi zugesagt, vermehrt Soja sowie Öl und Gas aus den USA zu importieren. In der X-Nachricht des Weißen Hauses wird nicht erwähnt, dass Trump in der Air Force One auch ein ausführliches Gespräch über die Situation in der Ukraine erwähnt hat. Man habe sich, so Trump, darauf geeinigt, gemeinsam darauf hinzuarbeiten, den Krieg möglichst schnell zu beenden. Hatte Trump vor Beginn des Gesprächs auf Fragen der Reporter geantwortet, er hielte die Unterzeichnung des Handelsabkommens für möglich, war davon am Ende der Begegnung zwischen den beiden Präsidenten keine Rede mehr. Sofort ging die mediale Diskussion los, wer gewonnen und wer verloren habe. Die China-Kritiker erklärten die USA zum Sieger, die USA-Kritiker China.
Was dabei übersehen wurde und was der Grund dafür ist, dass wir nicht wirklich wissen, was besprochen wurde, ist die Tatsache, dass die chinesische Seite bisher über das Gespräch nichts verlautbaren ließ und nur die Eingangsworte von Xi Jinping veröffentlichte, die mit dem, was nach Trumps Aussagen Gegenstand des hundertminütigen Gesprächs war, nichts zu tun haben. Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums verwies als Antwort auf die Frage nach der Lockerung oder Verschiebung der Exportkontrollmaßnahmen für Seltene Erden auf das zuständige Handelsministerium, das kürzlich verlautbarte, jeglichen Export von Seltenen Erden zu nichtzivilen Zwecken zu unterbinden.
Folgt man den Worten Xis, so ging es ihm nicht um Handelsfragen, sondern um das sino-amerikanische Verhältnis. Die beiden Länder sollten sich gegenseitig bei der Verwirklichung ihrer Pläne unterstützen und ein partnerschaftliches Verhältnis zueinander entwickeln. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit solle zum gegenseitigen Nutzen erfolgen und nicht als Konfliktpotenzial eingesetzt werden. Trump habe, so ein Bericht der „Global Times“, positiv auf Xi Jinpings Ausführungen geantwortet und seinen großen Respekt für China zum Ausdruck gebracht. Das wiederum veranlasste Xi dazu, die gemeinsame Verantwortung der USA und Chinas für das Wohlergehen beider Länder und der Welt hervorzuheben. Was Trump als Inhalt seiner Gespräche mit Xi ausgab, wurde vier Stunden nach Ende des Gipfeltreffens als Ergebnis der Handelsgespräche in Kuala Lumpur von der chinesischen Seite bestätigt. Ohne dass es hier zu einer Einigung gekommen wäre, hätte das Gipfeltreffen gar nicht stattgefunden, so die chinesische Presse. Die von Trump erwähnten Einigungen waren also schon vor dem Treffen der Staatsoberhäupter erzielt worden.
China geht es um Gleichrangigkeit
Offenbar hatten die Präsidenten über den Zweck ihres Treffens grundlegend unterschiedliche Auffassungen. Trump ging es um einen weiteren „Deal“; Xi wollte sich auf die Niederung derartiger Gespräche gar nicht erst einlassen. Dafür waren andere zuständig. Er wollte Trump das Eingeständnis abringen, wonach die USA mit China eng zusammenarbeiten und in dieser Zusammenarbeit die Gleichrangigkeit der beiden größten Weltwirtschaftsmächte anerkennen müssen. Im Vorfeld des Gipfels und als Trumpf für die Handelsgespräche hatte man die Daumenschrauben in Sachen Seltene Erden angezogen.
Die Exportkontrollen sollten aller Welt zeigen, dass mit China nicht zu spaßen ist. Selbst wenn Trump überall versucht, Verträge über den Abbau und die Raffinierung von Seltenen Erden abzuschließen, weiß er doch genau, dass China über seine Patente den Verarbeitungsprozess von seltenen Erden dominiert und Australien, das schon seit Langem im eigenen Land Seltene Erden abbaut, ebenso wie die USA die Weiterverarbeitung ihrer Seltenen Erden in China vornehmen lässt. Japan, das seit Beginn des Konflikts über die Senkaku-Inseln im Jahr 2010 versucht, in dieser Frage Selbstständigkeit zu erlangen, hat seine Abhängigkeit bisher nur von 90 auf 60 Prozent senken können. Wenn die Volksrepublik China wahrmacht, was in ihrer zitierten Bekanntmachung steht, können F35-Flugzeuge nicht mehr gebaut werden. Auch wäre der Transfer von Technik und Wissen zur Weiterverarbeitung von Seltenen Erden weitgehend unmöglich. China versucht, die Entwicklung der Selbstständigkeit im Umgang mit den Seltenen Erden hinauszuzögern. Dies gilt, wie die angedrohten Exportkontrollen, nicht nur für die USA, sondern für die ganze Welt, einschließlich Russlands. Die Karten waren für China offenbar gut gelegt. Für jede Maßnahme der einen Seite wurde eine entsprechende Maßnahme der anderen Seite vereinbart. Die Handelsgespräche haben damit einen Punkt erreicht, der die Hoffnung auf eine baldige Unterzeichnung bestärkt.
„Taiwan ist Taiwan!“
Das Gipfeltreffen und die beiderseitige Bekundung von Respekt und Anerkennung steht in der Kontinuität vermehrter Entspannungsversuche beider Seiten. Verteidigungsminister Pete Hegseth hatte schon im Mai in seiner Rede auf dem Shangri-La-Forum in Singapur betont, man wolle keinen Krieg und anerkenne die Legitimität des Regimes in der Volksrepublik. China hat seinerseits immer wieder Signale nach Washington gesendet, vor allem um zu verhindern, dass Washington sich ganz auf die Normalisierung der Beziehungen zu Russland konzentriert und damit China isolieren könnte. Auch hat sich China zwar in seiner Reaktion auf die Zollandrohung aus Washington nicht in die Knie zwingen lassen, doch läuft die chinesische Wirtschaft nicht rund. Selbst wenn immer wieder Erfolge im Hochtechnologiesektor verkündet werden, darf man sich nicht darüber hinwegtäuschen, dass der zuletzt rapide zurückgehende Export in die USA viele Privatbetriebe in China in den Ruin treibt.
Doch gibt es immer noch Streitpunkte zwischen den beiden Weltmächten, die auf dem Gipfeltreffen offenbar keine Lösung gefunden haben. So wurde diskutiert, ob China nicht hauptsächlich darauf dringen müsse, dass Trump den Unabhängigkeitsbestrebungen auf Taiwan eine Abfuhr erteilt. Dieses Ziel hat die Volksrepublik China nicht erreicht. Im Gegenteil, Trump wartete mit einer ungewöhnlichen neuen Formulierung auf: „Taiwan ist Taiwan!“ China hatte in Erwartung der Nichterfüllung seiner Wünsche deshalb schon betont, die Taiwan-Frage sei eine innenpolitische Angelegenheit und deshalb nicht Gegenstand der Gespräche mit den USA. Jeder, der die Taiwan-Frage genau beobachtet, weiß, dass hier ein taktischer Rückzug vollzogen wurde.
Trump hätte gerne durchgesetzt, dass China seine Importe von Öl und Gas aus Russland einstellt. Davon war in der Nachbearbeitung des Gipfeltreffens nicht mehr die Rede. Statt China dazu zu verpflichten, Druck auf Russland auszuüben, sprach Trump jetzt von gemeinsamen Bemühungen um die Beendigung des Krieges – eine Äußerung, die im Widerspruch zu seinen Versuchen seit Beginn der zweiten Amtszeit steht, China aus den Gesprächen über die Ukraine herauszuhalten. Auch wenn China seit Anfang 2025 nach außen hin keine Verlautbarungen über die Ukraine-Krise mehr getätigt hat, ist das Land doch nach wie vor daran interessiert, hier eine Rolle spielen zu können, weil die chinesische Führung nur so meint, verhindern zu können, dass China selbst ins Visier gerät, sobald der Krieg beendet ist.
Russland ist und bleibt der Elefant im Raum
Trump sieht die Welt als von drei Großmächten beherrscht. Sein Ziel ist es, die Vorherrschaft über die Welt zu bewahren, indem er zeigt, dass die USA in der Lage sind, die Handlungsoptionen der beiden Rivalen, China und Russland, einzuschränken. Zunächst hat er die Strategie verfolgt, durch eine Normalisierung der Beziehungen zu Russland China zu schwächen. Doch aus dem Keil, den er zwischen China und Russland treiben wollte, ist nichts geworden. So bleibt ihm nichts anderes übrig, als immer dann, wenn Russland seinen Wünschen nicht folgt, die chinesische Karte zu spielen, und andersherum. Was weltweit als Strategielosigkeit des US-Präsidenten wahrgenommen wird, ist bis zu einem gewissen Grad die logische Konsequenz der Verfolgung seines obersten Ziels: Make America great again.
China hat das durchschaut und glaubt auch daran, dass die Welt von China, Russland und den USA bestimmt wird. Es möchte dabei Gleichrangigkeit mit den USA erlangen und Russland an seiner Seite sehen, damit es mehr Verhandlungsmacht gegenüber den USA gewinnt. Keinesfalls darf aus chinesischer Sicht Russland zu den USA überlaufen und seine Beziehungen zu China zurückfahren. Nur mit Russland im Rücken kann China nämlich die USA davon abhalten, sich in eine eventuelle militärische Auseinandersetzung über Taiwan einzumischen. Russland ist deshalb „der Elefant im Raum“. Öffentlich wird nicht über Russland gesprochen, und doch steht das Verhältnis zu Russland sowohl für die USA als auch für China stets im Hintergrund.
Keine der drei selbsternannten Weltmächte sieht Europa als Vierten im Bunde. Die Zeiten, da die USA an einer engen Zusammenarbeit mit Europa interessiert waren, scheinen zu Ende zu gehen. Und auch China sucht nach anderen Optionen, nachdem die wiederholten Annäherungsversuche seit Beginn der zweiten Präsidentschaft Trumps nicht gefruchtet haben. Dass Russland eine Möglichkeit der Zusammenarbeit sieht, ist zumindest unter den augenblicklichen Bedingungen undenkbar. Daran lässt sich erkennen, dass wirtschaftliche Stärke, werteorientierte Politik und kulturelle Ausstrahlung nicht die objektiven Kriterien sind, nach denen Weltmächte bestimmen, wer eine Weltmacht ist. Sie ringen sich vielmehr die gegenseitige Anerkennung als Weltmacht ab und verweigern anderen den Zutritt.
Auf dem Gipfeltreffen von Trump und Xi in Busan ging es nicht um einen „Deal“ über Exportkontrollen und Zölle, sondern darum, inwieweit die USA China als Weltmacht anerkennen. China ist bereit, für die Anerkennung einiges an Wünschen ad acta zu legen. Die USA wissen, dass sie ihre Rolle als Welthegemon ausgespielt haben, wenn sie China als gleichrangig anerkennen. Das versuchen sie immer noch zu verhindern, auch wenn Donald Trump verbal einer solchen Anerkennung schon wieder ein Stück nähergekommen ist. In diesem Sinne hat das Gipfeltreffen keinen Sieger und keinen Verlierer.
Die Autorin ist China-Expertin. Sie war Universitätsprofessorin für Sinologie in Heidelberg und Wien.
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