Der Oberste Gerichtshof Finnlands befasst sich am morgigen Donnerstag mit dem Fall der Parlamentsabgeordneten Päivi Räsänen und des lutherischen Bischofs Juhana Pohjola. Beide stehen wegen des Vorwurfs der „Volksverhetzung gegen Minderheiten“ vor Gericht, nachdem sie Aussagen zur christlichen Sexualethik öffentlich gemacht hatten. Die Entscheidung könnte nach Einschätzung der Verteidigung weitreichende Folgen für die Auslegung von Meinungs- und Religionsfreiheit in Finnland haben. Das geht aus einer Pressemitteilung von ADF International vom heutigen Mittwoch hervor.
Räsänen, ehemalige finnische Innenministerin, hatte 2019 auf Twitter/X die Beteiligung ihrer Kirche an einer Pride-Veranstaltung kritisiert und dabei Bibelverse aus dem Römerbrief zitiert. Zudem wird ihr eine Äußerung in einer Broschüre von 2004 zur traditionellen christlichen Lehre über Ehe und Sexualität zur Last gelegt, die von Bischof Pohjola veröffentlicht wurde. Die Staatsanwaltschaft wertet beides als herabwürdigende Äußerungen über sexuelle Minderheiten. Der betreffende Paragraf ist im finnischen Strafgesetz im Abschnitt über „Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ eingeordnet.
Bereits in zwei Verfahren freigesprochen
Bereits 2022 hatte das Bezirksgericht Helsinki beide Angeklagten freigesprochen, 2023 bestätigte das Berufungsgericht den Freispruch. Die Richter betonten damals, es sei nicht Aufgabe des Staates, biblische Begriffe zu interpretieren oder theologische Lehrmeinungen zu beurteilen. Die Staatsanwaltschaft legte jedoch erneut Berufung ein. Nun steht vor dem höchsten finnischen Gericht die endgültige Klärung aus.
Im Falle einer Verurteilung drohen Räsänen und Pohjola Geldstrafen in vierstelliger Höhe sowie die Entfernung des Tweets und die Zensur der Broschüre. Paul Coleman, Geschäftsführer von ADF International und Teil des Verteidigungsteams, sagte laut Mitteilung: „In einer demokratischen Gesellschaft sollte jeder seine Überzeugungen frei äußern können, ohne staatliche Verfolgung fürchten zu müssen.“ Die zunehmende Anwendung von „Hassrede“-Bestimmungen schaffe „eine Kultur der Angst und Zensur“, so Coleman.
Die Verhandlung vor dem Obersten Gerichtshof beginnt am Donnerstag, ein Urteil wird in den kommenden Monaten erwartet. (DT/jra)
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