Schon am 10. Oktober hatte Leo XIV. Spitzenvertretern der Päpstlichen Stiftung „Aid to the Church in Need“ (ACN international) zugesichert, dass der nunmehr seit 25 Jahren erscheinende Bericht „Über die Religionsfreiheit in der Welt“ ein „wirksames Instrument zur Bewusstseinsbildung“ sei.
Er leiste „mehr als nur Information, er ist ein Zeugnis, gibt den Stimmlosen eine Stimme und deckt das verborgene Leiden vieler Menschen auf“, sagte der Papst vor der Delegation des international tätigen Hilfswerks, das der als „Speckpater“ bekannt gewordene Prämonstratenser Werenfried van Straaten 1947 als „0stpriesterhilfe“ gegründet hatte und das als „Kirche in Not“ zu einer in rund 140 Ländern tätigen Organisation herangewachsen ist.
Jetzt liegt die jüngste Ausgabe dieses alle zwei Jahre herausgegebenen Reports auf dem Tisch und wurde am Dienstag in Rom bei einer Konferenz im Patristischen Institut Augustinianum neben dem Petersplatz vorgestellt. 1.248 eng bedruckte Seiten, auf denen vor allem die 62 Länder der Welt hervorstechen, in denen laut „Kirche in Not“ systematische Verletzungen der Religionsfreiheit festzustellen sind.
Papst Leo: Ein Instrument zur Bewusstseinsbildung
In diesen 62 Ländern leben 65 Prozent der Weltbevölkerung, das heißt 5,4 Milliarden Menschen - zwei Drittel der Menschheit - sehen sich in dem Recht auf freie Religionsausübung bedroht. Laut Regina Lynch, Präsidentin von ACN, stehe das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit nicht nur unter Druck, vielmehr sei es in vielen Ländern „am Verschwinden“. Religionsfreiheit sei der Gradmesser für alle anderen Menschenrechte. „Ihre Einschränkung kündigt einen umfassenderen Zusammenbruch der Grundfreiheiten an“, sagte Lynch bei der Konferenz.
Dementsprechend fällt im diesjährigen Report zur Religionsfreiheit die Bilanz im Vergleich zum Vorgängerbericht von 2023 nochmals bedrohlicher aus: In nahezu allen Ländern aus der Kategorie „Verfolgung“ oder „Diskriminierung“ von Religionen habe sich die Lage verschlechtert. Lediglich in Kasachstan und Sri Lanka gebe es einige positive Entwicklungen, stellt der Bericht fest.
Anders als in den Vorjahren sieht der neue Report als Hauptursache für Diskriminierung und Verfolgung das Verhalten autoritärer Regierungen und Regime. Der Bericht fasst 52 Staaten unter diese Kategorie, darunter neben den „Dauerbrennpunkten“ wie China oder Nordkorea auch Iran, Nicaragua, Saudi-Arabien oder Turkmenistan. An der zweiten Stelle der Gründe für Verfolgung von Gläubigen steht der religiöse Extremismus, den der Bericht in 25 Staaten wie Afghanistan, Burkina Faso oder der Demokratischen Republik Kongo am Werk sieht.
Die Welt hat sich im Im letzten Vierteljahrhundert radikal geändert
Alfredo Mantovano, Staatsuntersekretär beim Amt des italienischen Ministerpräsidenten - in Deutschland würde man ihn Kanzleramtsminister nennen - und der „katholische Geist“ an der Seite von Regierungschefin Giorgia Meloni war selber von 2015 bis 2022 Direktor der italienischen Sektion von ACN. Er begann seine Ausführungen mit einer persönlichen Erinnerung an Attilio Tamburrini, der - ebenfalls langjähriger Direktor von ACN in Italien - die Idee gehabt haben soll, einen regelmäßigen Bericht zur Lage der Religionsfreiheit in der Welt herauszugeben.
Als dieser dann vor 25 Jahren zum ersten Mal erschien, so Mantovano, habe man in New York noch ein Foto mit den Twin Towers im Hintergrund machen können, hätte Russland gerade den Zusammenbruch der Mauer hinter sich gehabt und China sei noch weit von dem Profil einer Weltmacht entfernt gewesen.
Im letzten Vierteljahrhundert habe sich die Welt dann radikal verändert, sagte Mantovano, aber es gebe etwas, „das sich nicht geändert hat: die Schwere der religiösen Verfolgung, die sich vor allem gegen Christen richtet, und gleichzeitig die Gleichgültigkeit des Westens und insbesondere Westeuropas“. Und das, obwohl die religiöse Verfolgung heute einer der Hauptgründe und zugleich eine der am meisten vernachlässigten Ursachen für die Migrationsströme in der Welt sei.
Religionsfreiheit als Voraussetzung für Versöhnung
Bei seiner Audienz für ACN hatte Papst Leo betont, dass Religionsfreiheit nicht nur ein gesetzlich garantiertes Recht oder ein Privileg sei, das von den Regierungen gewährt werde, sondern vielmehr „eine grundlegende Voraussetzung, die eine echte Versöhnung erst möglich macht. Wird diese Freiheit verweigert, wird dem Menschen die Möglichkeit genommen, frei auf den Ruf der Wahrheit zu antworten“.
Dieses Thema entfaltete bei der Konferenz am Dienstag Kardinalsstaatssekretär Pietro Parolin. Vor 60 Jahren habe das Zweite Vatikanische Konzil mit der Erklärung „Dignitatis Humanae“ einen „bedeutenden Meilenstein in der Förderung der Religionsfreiheit als grundlegendem Aspekt der menschlichen Existenz“ verabschiedet. Auf der einen Seite habe sich das Konzil überzeugt gezeigt, „dass Gott selbst den Menschen den Weg gezeigt hat, wie sie ihm dienen und so in Christus gerettet werden und zur Seligkeit gelangen können“.
Menschen sind verpflichtet, die Wahrheit zu suchen
Die eine wahre Religion bestehe in der katholischen und apostolischen Kirche fort, der der Herr Jesus die Aufgabe übertragen habe, sie unter allen Menschen zu verbreiten. Auf der anderen Seite, so Parolin weiter, seien für das Konzil Menschen ihrerseits verpflichtet, die Wahrheit zu suchen, anzunehmen und daran festzuhalten. Doch die Wahrheit, so habe es „Dignitatis humanae“ erklärt, könne „sich nur aufgrund ihrer eigenen Wahrheit durchsetzen“.
Nicht durch Zwang - entsprechend dem biblischen Konzept, wie der Kardinal formuliert, „dass der Glaube eine freie Antwort auf eine göttliche Einladung sein muss und keine erzwungene Unterwerfung“. Somit habe das Konzil die Kirche dazu aufgefordert, „die Religionsfreiheit anzunehmen, ohne jemals die Wahrheit zu kompromittieren“.
Es sei die Pflicht von Regierungen und Gemeinschaften gleichermaßen, niemanden zu zwingen, gegen seine tiefen Überzeugungen zu verstoßen, oder jemanden daran zu hindern, diese authentisch zu leben. Dennoch zeigte sich Parolin besorgt, gerade weil die Jubiläumsausgabe zum 25-jährigen Bestehen des Berichts von ACN zur Lage der Religionsfreiheit die umfangreichste seit seiner Gründung sei: „Dies deutet darauf hin, dass die Verletzungen der Religionsfreiheit von Jahr zu Jahr zunehmen.“
Die Brennpunkte Syrien, Indien und Nigeria
Mehrere Referenten berichteten aus der Lage in ihren Ländern. Jacques Mourad, syrisch-katholischer Erzbischof vom Homs, bezeichnete die Lage der Christen in Syrien als „Fremde im eigenen Land“. Weder gebe es eine klare Zukunftsvision für sein Land, noch habe man Vertrauen in die eigene Staatsführung oder die internationale Gemeinschaft. Das Christentum drohe dort entwurzelt zu werden, wo es entstanden und aufgeblüht sei. Zwar versuche die Kirche die Emigrationswelle einzudämmen, aber ohne eine klar definierte Regierung zeige diese Gegensteuerung keine Wirkung. Es herrsche Angst statt Vertrauen, Hoffnung setze man nur auf Gott.
Der aus Manipur im Nordosten Indiens stammende Erzbischof von Imphal, Linus Neli, beklagte den politisch, kulturell und religiös dominanten Hinduismus in seiner Heimat. Das hinduistische Indien schließe Christentum und Islam aus und kenne zwei Formen der Diskriminierung: die durch staatliche Gesetze, etwa gegen die Religionsübertritte oder zum Eherecht, und die durch nackte Gewalt, indem die hinduistische Mehrheit Gräueltaten gegen die Christen und andere Minderheiten verübe.
Mit Bischof Matthew Hassan Kukah aus Sokoto in Nigeria kam eine Stimme zu Wort, die beklagte, dass Gelder aus dem Mittleren Osten das Klima in seiner Heimat, wo Christen und Muslime früher friedlich zusammenlebten, mittlerweile vergiftet hätten. Ein radikaler Islamismus habe sich ausgebreitet, für Bischof Kukah auch ein Versagen der Politik. Die acht Jahre des muslimischen Präsidenten Muhammadu Buhari bis 2023 hätten dem Land nicht gutgetan.
Eine Zusammenfassung der Ergebnisse des Berichts „Religionsfreiheit weltweit 2025“ und die Möglichkeit zum Herunterladen des gesamten Reports mit allen 196 Länderberichten finden sich online unter www.religionsfreiheit-weltweit.de.
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