Ursula von der Leyen strebt eine zweite Amtszeit als Präsidentin der EU-Kommission an. Doch zuvor muss sie drei Hürden nehmen: Zunächst muss die christdemokratische EVP bei der Europawahl am 9. Juni so erfolgreich sein, dass sie wieder zur stärksten Fraktion im Europäischen Parlament wird, dann muss die EVP-Spitzenkandidatin auch noch von den Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten nominiert und im Europaparlament bestätigt werden. Und schließlich muss „die Uschi“, wie Vertraute sie nennen, auch noch mit Störfeuer aus Budapest rechnen.
Denn im Rat der EU wechselt der Vorsitz halbjährlich unter den Regierungen der Mitgliedstaaten: Bis 30. Juni ist Belgien im Chefsessel, dann übernimmt Ungarn den Ratsvorsitz. Viktor Orbán wird also in einer Schlüsselrolle sein, wenn nach der Europawahl, wohl ab Anfang Juli, um die Spitzenpositionen im Europäischen Parlament, in der EU-Kommission sowie um die Nachfolge des tollpatschigen Präsidenten des Europäischen Rates, Charles Michel, gerungen wird.
Staatsmann statt Rabauke?
In Brüssel wie in Budapest gehen die Einschätzungen weit auseinander: Manche meinen, Orbán werde in diesem „Semester großer Entscheidungen“ kaum eine Rolle spielen, andere sehen das nicht so entspannt, weil sich die Neusortierung der EU-Institutionen nicht im luftleeren Raum abspielt. Vielmehr ist das vereinte Europa weltpolitisch herausgefordert. Manche meinen, Viktor Orbán sei intelligent und flexibel genug, sechs Monate den Staatsmann anstelle des Rabauken zu geben, andere sind überzeugt, dass Orbán Brüssel als eine Polit-Blase sieht, mit der er sich nicht identifiziert. Sicher ist nur: Es bleibt spannend in Europa. DT/sba
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