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Na dann, tschüss!

Selbstbestimmtes Sterben wird zum Problem für ein funktionierendes Gemeinwesen. Kann es ein Grundrecht auf Flucht vor der Verantwortung geben?
Sterbehilfe in Spanien
Foto: Eduardo Parra (EUROPA PRESS) | Demonstranten mit Dali-Masken protestierten im Jahr 2020 vor dem Abgeordnetenhaus in Madrid gegen das Sterbehilfe-Gesetz, das nun dem „Pistolero von Tarragona“ den Suizid in Untersuchungshaft erlaubt.

Vielen betrachten den „assistierten Suizid“ und die „Tötung auf Verlangen“ als Optionen, um sich einem unabwendbaren Leiden zu entziehen. Nun bringt ein katalanisches Gericht eine weitere Variante ins Spiel. Das Gericht gestand jetzt erstmals einem Untersuchungshäftling zu, von seinem angeblichen Recht auf ein vorzeitiges Lebensende Gebrauch zu machen. Und zwar noch vor der drohenden Verurteilung.

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Der ehemalige Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes, der in den Medien auch der „Pistolero von Tarragona“ genannt wird, hatte Mitte Dezember das Büro seines ehemaligen Arbeitgebers gestürmt und dort – um sich schießend – drei seiner früheren Kollegen schwer verletzt. Auf der Flucht feuerte er noch auf einen Polizisten, bevor er selbst niedergeschossen und festgenommen wurde.

Assistierter Suizid und Tötung auf Verlangen

Bei dem Feuergefecht mit der Polizei erlitt der Schütze selbst eine schwere Wirbelverletzung. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass das „Recht“ auf ein selbstbestimmtes Sterben ein Grundrecht sei, das niemandem verwehrt werden dürfe. Kämen Ärzte zu dem Ergebnis, dass jemand die vom Gesetz vorgeschriebenen Bedingungen erfülle, müsse er davon Gebrauch machen können. In Spanien gelten seit dem 25. Juni des vergangenen Jahres sowohl der ärztlich assistierte Suizid als auch die Tötung auf Verlangen als legal. Der Anwalt des verletzten Polizisten hatte dagegen beantragt, über den Sterbewunsch des Schützen erst nach einem Urteil zu entscheiden.

Das Ende der Moral

Macht die Entscheidung des Gerichts Schule, dürfte sie Staaten noch schwer zu schaffen machen. Denn was sind unbedingte Forderungen wie „Unterlass dies!“ wert, wenn sie gar nicht mehr unbedingt gelten? Wenn aus einem „Unterlass dies!“ ein „Unterlass dies, es sei denn Du ziehst vor, Dich anschließend töten zu lassen“ wird – gibt es keinen Anspruch der Allgemeinheit darauf, das Menschen Dinge unterlassen, die andere schädigen. Ein Grundrecht auf Flucht aus der Verantwortung ist nicht nur absurd. Es bedeutet auch das Ende der Moral. Nicht einer bestimmten, sondern – weit schlimmer – einer jeden.

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Stefan Rehder Lebensschutz Tötung auf Verlangen

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