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Münchener Marsch für das Leben: Das Recht auf Leben im Fokus

Sonnenschein und Polizeischutz begleiten Lebensschützer in München. Sie wollen für den Lebensschutz eintreten, nicht für eine politische Richtung.
Mitglieder der „Jugend für das Leben“ tragen Schilder für den 4. Marsch für das Leben in München.
Foto: IMAGO (www.imago-images.de) | Mitglieder der „Jugend für das Leben“ tragen Schilder für den 4. Marsch für das Leben in München.

Es ist unerwartet warm an diesem Samstag, als sich tausende Menschen am Königsplatz in München versammeln. Vor den Propyläen mit ihren hohen, klassizistischen Säulen, in deren Schatten die ersten Ankömmlinge Schutz vor der Sonne suchen, ist die Bühne aufgebaut, wo schon um halb eins Musiker bayerische Blasmusik spielen.

Heute findet zum vierten Mal der Münchner Marsch für das Leben statt: Laut den Veranstaltern sind es 6.000, nach Angaben der Polizei rund 3.000 Menschen, die für den Lebensschutz eintreten wollen. Die charakteristischen gelben und blauen Schilder mit Aufschriften wie „Abtreibung? Nein danke“ oder „Jedes Leben ist ein Geschenk“ stehen an dem von Polizisten gesäumten Eingang zum Königsplatz bereit, Helfer verteilen Fähnchen. Eigene Schilder gibt es kaum – eine Vorsichtsmaßnahme, die dazu beitragen soll, eine Instrumentalisierung der Veranstaltung zu verhindern. Rund um den Königsplatz parken Polizeiautos, eine Reiterstaffel steht auf der Wiese vor der Glyptothek, vor der Straße, wo sich bereits die Gegendemonstranten formieren.

Leben beginnt bei der Befruchtung

Ein Teil der Demonstranten ist bereits eingestimmt: vom Frühschoppen der Christdemokraten für das Leben (CDL). In einem Festsaal des Augustinerkellers, nahe gelegen am Münchner Hauptbahnhof und ebenfalls begleitet von Polizeischutz, trafen sich dort die Gäste zum Weißwurstfrühstück und einem Vortrag zur Reproduktionsmedizin. „Kinder sind kein Produkt, Kinder sind ein Geschenk“, betonte der Endokrinologe Christoph von Ritter, was die Gäste mit Applaus quittierten.

Es sei wissenschaftlicher Konsens, so Ritter, dass das menschliche Leben mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle beginne. Während reproduktionsmedizinische Verfahren wie die In-Vitro-Fertilisation oft verzweifelten Paaren die Erfüllung eines Kinderwunsches ermögliche, sei die Erfolgsrate bei 25 bis 30 Prozent niedrig – und beinhalte durch die intensive Behandlung der Frau mit hohen Östrogendosen zudem ernstzunehmende Risiken. Ritter erinnerte außerdem an die Möglichkeiten der Präimplantationsdiagnostik, bei der Embryonen mit unerwünschten Eigenschaften „selektiert“ werden könnten. Zum Abschluss verwies Ritter auf das Vatikan-Dokument „Dignitas Infinita“, das in der vorherigen Woche erschienen war und die Reproduktionsmedizin kritisiert.

„100 Prozent Menschenwürde“

Auch Publizistin Birgit Kelle sprach sich deutlich für den Lebensschutz aus: „Auf der Fahrt hierher in der U-Bahn hängen überall Plakate für eine Veranstaltung gegen Rassismus, auf denen stand: ,100 Prozent Menschenwürde‘. Genau das machen wir Lebensschützer.“ Später, auf dem Königsplatz, steht Kelle, die vor kurzem das Buch „Ich kauf mir ein Kind. Das unwürdige Geschäft mit der Leihmutterschaft“ veröffentlichte, auf der Bühne. „Wie kann man denn einen Menschen spenden? Wie kann man denn einen Menschen verkaufen?“, fragt die Autorin rhetorisch die Demonstranten und nimmt auch das am vorigen Tag angenommene Selbstbestimmungsgesetz ins Visier: Die Bundesregierung wolle „alles legalisieren“, auch „unseren Kindern das Recht geben, ihr Geschlecht zu wechseln. Aber wir geben ihnen nicht das Recht auf die Welt zu kommen.“ Der Einsatz für das Leben sei dabei, so Kelle, „politisch weder rechts noch links“. Die Publizistin fügt an: „Wir lassen uns nicht für diese politischen Grabenkämpfe missbrauchen“.

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Und es tritt noch eine weitere Rednerin auf: Isabel Vaughan-Spruce. Die Britin gibt ein Zeugnis für Gebet vor Abtreibungskliniken. seit Dezember 2022 wurde sie in ihrem Heimatland zweimal verhaftet, das erste Mal, nachdem sie gesagt hatte, dass sie „vielleicht“ in ihrem Kopf bete. Ein Video der Festnahme war viral gegangen; Vaughan-Spruce wurde im Februar 2023 vom Amtsgericht Birmingham freigesprochen. Diesen Monat berät der Bundestag auch in Deutschland über ein Verbot der sogenannten „Gehsteigbelästigung“.

Kein Raum für Dialog

Trotz der lauten Gegenkundgebungen der Gegendemonstranten nimmt der Marsch wie geplant seinen Lauf, durchgehend begleitet von Polizisten. Störversuche, wie etwa der von Gegendemonstranten, die versuchen, sich in die Schar der Lebensschützer einzuschleusen, vereiteln die Polizisten schnell. Sie machen deutlich, dass sie hier keinen Spaß verstehen. Die altbekannten Slogans wie „Hätt‘ Maria abgetrieben…“, „Wer mit Nazis mitmarschiert“ und ANTIFA-Parolen begleiten den gesamten Marsch. Zufällige Passanten quittieren den Marsch mit Kopfschütteln. Klar ist aber auch, dass viele, sowohl aus der Gegendemonstration sowie Passanten, den Marsch nicht primär als Demonstration für den Lebensschutz, sondern als rechte, vielleicht sogar rechtsradikale Veranstaltung sehen. Und dort, wo die beiden Fronten, getrennt von Barrikaden oder Polizeiuniformen aufeinandertreffen, gibt es keinen Raum für Dialog.

Die Demonstranten „für“ das Leben haben ein gemäßigtes Gegenprogramm: Mit Musik, vereinzelten Pro-Life-Slogans, Gebet und Gesang. Auf ruhigen Strecken sind viele Teilnehmer in Gespräche versunken. Alle Altersgruppen und verschiedene Denominationen sind vertreten: Soutane tragende Petrusbrüder Mitte Zwanzig genauso wie ältere Damen mit „Jesus“-T-Shirts aus christlichen Gemeinden in Stuttgart. Gemeinsam ist ihnen das Anliegen für das Leben. Zeugnisse für den Glauben – Ikonen oder Madonnendarstellungen – blitzen zwischen den gelb-blauen Plakaten und Schildern hervor, doch politische Positionierungen über den Lebensschutz hinaus gibt es nicht. Auch die mitlaufenden Verbindungsstudenten sind an zwei Händen abzuzählen.

Voderholzer: Wir üben staatsbürgerliches Recht aus

„Lebensschutz bedeutet für mich das Einstehen für das Leben vom Anfang bis zum Schluss“, so Mario Maurer, Priesteramtskandidat in Wigratzbad. Maurer ist mit einer Jugendgruppe hier. Zum dritten Mal dabei ist Susanne, die den Marsch dieses Jahr zum ersten Mal als Schwangere mitgeht. Ihr ist es wichtig, „der Welt und den Menschen hier in Deutschland mitzuteilen, dass es sehr schön ist, schwanger zu sein“, so die 26-Jährige. „Ich wünsche jeder Frau, dass sie die Möglichkeit dazu bekommt.“

Aus Passau und Eichstätt haben die Bischöfe Grußworte gesandt – einige laufen dieses Jahr auch mit. So befinden sich der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer, Weihbischof Florian Wörner und Weihbischof Thomas Maria Renz unter den Lebensschützern. „Wir haben von unserem staatsbürgerlichen Recht Gebrauch gemacht, für ein Grundrecht unsere Stimme zu erheben“, so Voderholzer von der Bühne, nachdem die Teilnehmer zum Abschluss des Marsches gelbe und blaue Ballons in den Himmel steigen ließen. Wer die Lebensschützer daran hindern wolle, sei ein Feind der Demokratie. „Als Christen wissen wir, dass dieses Grundrecht noch tiefer gründet: Nämlich in der Gottesebenbildlichkeit“, so der Bischof, bevor er zum Segen ansetzt – und die Veranstalter die Gegendemonstranten in den fast sommerlichen Nachmittag entlässt, mutmaßlich auf der Suche nach Eis, Wasser und der Gelegenheit, die Sonne ohne Slogans zu genießen.

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