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Wie lässt sich Babykauf verhindern?

Leihmutterschaft könnte von den Regierungen effektiv unterbunden werden, denn sie funktioniert nur dank staatlichem Entgegenkommen. Das ist das Fazit einer internationalen Tagung zur weltweiten Abschaffung der Leihmutterschaft in Rom.
Werbung für eine Kinderwunsch-Messe 2017 in Berlin
Foto: IMAGO/IMAGO (www.imago-images.de) | Durch Leihmutterschaft drohen Kindern drohen zur Ware zu werden. Eine internationale Konferenz in Rom diskutierte, wie sich das verhindern lässt.

Wenn Katholiken, Muslime, Marxisten und Feministen sich in einer Sache einig sind, dann muss es wirklich schlimm stehen." Die schwedische Autorin Kajsa Ekis Ekman hat trotz des ernsten Anlasses die Lacher auf ihrer Seite. Denn es stimmt: Eine gemeinsame Sache bringt die Genannten tatsächlich am ersten Aprilwochenende in Rom zusammen. Fast 40 Experten aus Europa, den USA, Südamerika und Afrika sprechen bei der internationalen Konferenz zur weltweiten Abschaffung der Leihmutterschaft an der katholischen LUMSA-Universität und leuchten die verschiedenen Dimensionen der umstrittenen Praxis aus. Unter ihnen sind Bioethiker und Biologen, Psychologen, Publizisten, Politiker und Juristen, viele Anwälte und Professoren.

"Leihmutterschaft ist das Gegenstück zur Prostitution"

Aus dem UN-Kinderrechtsausschuss ist die bulgarische Juristin Velina Todorova als Beobachterin anwesend, ebenso wie die jordanische UN-Sonderbeauftragte für Gewalt gegen Frauen, Reem Alsalem. Beide äußern sich eher vorsichtig, eine klare Position zur Leihmutterschaft vertritt die UNO bislang nicht. Unter den Hörern entdeckt man nicht nur nationale und europäische Abgeordnete, sondern auch den ein oder anderen Botschafter am Heiligen Stuhl. "Leihmutterschaft ist das Gegenstück zur Prostitution", fährt Ekman, die sich selbst als feministische Marxistin bezeichnet, fort. "Prostitution ist Sex ohne Fortpflanzung. Leihmutterschaft ist Fortpflanzung ohne Sex." Für ihr Buch "Being and being bought" hat sie persönlich mit vielen Leihmüttern gesprochen. "Nicht eine davon denkt nicht jeden einzelnen Tag an das Baby, das sie weggegeben hat."

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Organisator der Konferenz ist Bernardo Garcia Larrain vom französischen Juristenkollektiv "Juristes pour l enfance". Die Konferenz markiert den ersten Geburtstag der "Casablanca-Erklärung zur internationalen Abschaffung der Leihmutterschaft". Mit dem Text fordert eine Expertengruppe aus über 70 Nationalitäten die Staaten der Erde zur Unterzeichnung eines internationalen Vertrags zur Abschaffung der Leihmutterschaft auf. "Nicht nur, weil die Leihmutterschaft ein globaler Markt ist, sondern weil sie die Menschenwürde und damit die gesamte Menschheitsfamilie betrifft", fast Garcia Larrain im Gespräch mit dieser Zeitung zusammen. "Unsere Konferenz mit ihren vielen Perspektiven zeigt, dass die Abschaffung dieser Praxis nicht nur eine fromme Idee, sondern wirklich möglich ist."

Der Papst als positive Ausnahme

Daran glaubt auch Olivia Maurel, Sprecherin der Casablanca-Koalition. Vor zwei Jahren fand die 32jährige Mutter dreier Kinder heraus, dass sie selbst von einer Leihmutter in Amerika ausgetragen wurde. Im "Tagespost"-Interview erzählte Maurel im Dezember, wie schwer es für sie war, ohne Wissen über ihre biologische Herkunft aufzuwachsen und wie stark sie bis heute unter dem Trauma des Verlassenseins leidet. Letzte Woche wurde Maurels Engagement gegen Leihmutterschaft mit einem persönlichen Treffen mit Papst Franziskus belohnt. "Ich unterstütze euch", habe der Heilige Vater Maurel bei der Begegnung im Vatikan versichert. Die überzeugte Atheistin und Feministin zeigt sich erstaunt, wie gut informiert Franziskus über Mechanismen und Folgen der Leihmutterschaft für Frauen und Kinder ist. "Im Vergleich zu den meisten Politikern und Abgeordneten, die ich bereits getroffen habe, ist er damit eine absolute Ausnahme", berichtet sie. Wie sehr dem Heiligen Vater das Anliegen der Casablanca-Konferenz am Herzen liegt, zeigt sich dann noch einmal am Sonntag: Beim Regina Caeli auf dem Petersplatz grüßt er die Teilnehmer eigens.

In Deutschland ist die Vermittlung und Durchführung der Leihmutterschaft verboten – noch. Hetero- und homosexuelle Paare mit Kinderwunsch gehen daher ins Ausland, um sich dort ein Kind zu kaufen, wo die Praxis erlaubt ist. Ein beliebtes Argument von Befürwortern einer wenigstens teilweisen Legalisierung der Leihmutterschaft lautet daher: Man müsse Leihmutterschaft im eigenen Land "sauber" regeln, damit sie nicht anderswo "schmutzig"   also durch Ausbeutung und Menschenhandel   passiere. Aber auch bei der sogenannten "altruistischen" oder "ethischen" Leihmutterschaft werde ein Kind gegen Geld gehandelt und eine Frau auf ihre Gebärfunktion reduziert, so etwa die kolumbische Juraprofessorin Diana Muñoz.

Es gibt keine "saubere" Lösung

Dass nur eine "saubere" Regelung der Leihmutterschaft den menschenunwürdigen Auswüchsen dieser Praxis ein Ende bereiten könne, halten die Experten der Casablanca-Erklärung auch aus einem anderen Grunde für völlig falsch: Leihmutterschaft gibt es nur solange, wie die Staaten mitmachen, denn ihre Nutznießer, die Bestelleltern, brauchen den Staat zur Anerkennung ihrer Elternschaft. Kajsa Ekis Ekman fasst es so zusammen: "Leihmutterschaft kann deshalb niemals ein illegales Business wie der Drogenhandel werden. Wenn alle Länder der Erde heute Leihmutterschaft verbieten, dann gibt es sie morgen nicht mehr."

Die Casablanca-Koalition fährt daher zweigleisig: Als Fernziel soll ein internationaler Vertrag den Leihmutterschaftstourismus im Ausland unterbinden. Aber auch einzelne Staaten können bereits einiges tun, um ihr Leihmutterschaftsverbot gegenüber ihren Staatsbürgern besser durchzusetzen. Den Anfang macht Italien mit einem bisher einmaligen Vorstoß: Italienische Staatsbürger, die im Ausland eine Leihmutterschaft in Anspruch genommen haben, sollen künftig mit bis zu zwei Jahren Gefängnis und Geldzahlungen von bis zu einer Millionen Euro bestraft werden. Der Gesetzesentwurf wurde im Juli letzten Jahres bereits im Abgeordnetenhaus angenommen. Italiens Familienministerin Eugenia Roccella ist sich mit Blick auf die kommende Abstimmung im Senat sicher: "In ein paar Monaten haben wir das Gesetz", äußert sie im Interview mit dieser Zeitung. Die Abgeordnete Luana Zanella aus der grünen Partei "Verdi Sinistra Italia" und die Senatorin Valeria Valente der linken "Partito democratico" sprechen ebenfalls auf der römischen Konferenz und drücken ihre Gegnerschaft zur Leihmutterschaft aus.

Leihmutterschaft zu einem internationalen Verbrechen zu machen – könnte dies auch anderen Ländern zum Vorbild werden? "Frankreich hat bereits eine extraterritoriale Rechtsprechung, die es dem Staat ermöglicht, Franzosen zu verfolgen, die außerhalb seines Hoheitsgebiets pädophile Handlungen begehen. Dasselbe wäre juristisch auch im Fall der Leihmutterschaft möglich", schätzt die ehemalige Juraprofessorin an der Pariser Sciences-Po Sandra Travers de Faultrier. Ähnliches müsse auch für Deutschland geprüft werden, meint die deutsche Publizistin Birgit Kelle ("Ich kauf  mir ein Kind"): "Wir können etwas, das wir im Inland verbieten, nicht sehenden Auges im Ausland geschehen lassen und dann auch noch im Anschluss legalisieren frei nach dem Motto: Nun ist das Kind eben da."

Protest von "Regenbogenfamilien"

Nicht alle werden mit dem neuen Gesetz in Italien glücklich sein. Szenenwechsel: Freitagmittag, auf dem Largo di Torre Argentina glänzen die Ruinen der antiken Tempel in der warmen Frühlingssonne. Auf dem belebten Platz im Herzen der Hauptstadt haben sich etwa fünfzig Personen in rosa T-Shirts versammelt. Einige Kinder laufen zwischen den Beinen der Erwachsenen herum. Auf den Plakaten, die die Demonstranten in die Höhe halten, ist: "Famiglie, non reati", zu lesen: Wir sind Familien, keine Verbrecher. "Wir sind hier, um die Rechte der Familie gegen das Gesetzesvorhaben der Regierung zu verteidigen", erklärt uns ein Vater, dessen vierjähriger Junge auf seinen Armen herumturnt. Der LGBT-Verein "Famiglie Arcobaleno" (Regenbogenfamilien) ist Koorganisator der Demonstration, die im Rahmen einer eintägigen Konkurrenzveranstaltung zur Casablanca-Konferenz stattfindet. Auch sie haben "ihre" Betroffenen, die über ihre Erfahrungen sprechen: Die dreiundzwanzigjährigen Zwillingsschwestern Fiorella und Valentina Mennesson, die in den USA durch eine Leihmutter ausgetragen wurden und erst 2019 nach Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) vom französischen Staat als Kinder des Elternpaars Mennesson anerkannt wurden.

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Zurück zur Casablanca-Konferenz. Hier ist der zweite Tag der Frage gewidmet, wer oder was Staaten dabei unterstützen kann, Leihmutterschaft effektiver zu unterbinden. Dass der EGMR in diesem Punkt ein eher zweifelhafter Helfer ist, führt die Casablanca-Erstunterzeichnerin Aude Mirkovic aus. Der EGMR tendiere in seinen Urteilen dazu, die Staaten zur Anerkennung einer auf Leihmutterschaft beruhenden Elternschaft zu zwingen, "mit anderen Worten: einem nach ihrem eigenen Recht unzulässigen Leihmutterschaftsvertrag Anerkennung zu verleihen". Am Beispiel Italiens, das gegen ein solches Urteil 2017 erfolgreich in Berufung gegangen ist, zeigt die französische Juristin auf, dass Staaten sich durchaus mit Hinweis auf ihre eigene Rechtsprechung zur Wehr setzen können.

Das Juristenpaar Bénédicte und Christophe Hambura schlägt vor, im Kampf gegen die Leihmutterschaft bei den Banken anzusetzen. Sie erarbeiten aktuell einen Ansatz, mit dem die europäischen Gesetze zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung auch auf die Finanzierung von Menschenhandel inklusive Leihmutterschaft ausgeweitet werden können. Banken seien im Rahmen der genannten Gesetze bereits gewöhnt, Überweisungen von über 10.000 Euro zu überprüfen. "Kann man Überweisungen an Leihmutterschaftsagenturen stoppen, so stoppt man auch die gesamte Leihmutterschaftsindustrie!", zeigt sich Chistophe Hambura überzeugt.

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