Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Kommentar um "5 vor 12"

Moskaus unmoralisches Angebot

Putins Vertrauter Dmitri Medwedew schlägt der EU die Aufteilung der Ukraine vor und droht mit einem atomaren Präventivschlag.
Dmitri Medwedew, Putins Vertrauter
Foto: IMAGO/Yekaterina Shtukina (www.imago-images.de) | Dmitri Medwedew hat vorgeschlagen, die Ukraine zwischen Russland und der EU aufzuteilen. Das ist ein denkbar unmoralisches Angebot.

Wie der Schelm denkt, so ist er. Dmitri Medwedew, Vizepräsident des russischen Nationalen Sicherheitsrats und einer der engsten Vertrauten Wladimir Putins, hat der Europäischen Union ein zutiefst unmoralisches Angebot gemacht. Ein Angebot, wie man es unter Mafiosi eben so macht: Der Mann, der einst Präsident Russlands war und damals als „liberaler“ Hoffnungsträger galt, schlägt der EU nicht weniger als die Aufteilung der Ukraine vor.

Lesen Sie auch:

Mafia- Mentalität

Aussicht auf Frieden und ausreichende Sicherheitsgarantien gebe es nur, wenn sich Russland den Großteil der Ukraine – nicht nur die besetzten Gebiete, sondern auch die Zentralukraine – einverleibe, meint Medwedew. Dafür dürften im Gegenzug angrenzende EU-Mitgliedstaaten die Westukraine unter sich aufteilen. Eine Aufteilung der Beute gewissermaßen. Um seinem Vorschlag mehr Gewicht zu verleihen, drohte Putins Adlatus schon mal mit einem atomaren Präventivschlag.

Medwedew denkt offenbar, die Regierungen Polens, der Slowakei, Ungarns und Rumäniens hätten die gleiche Mafia-Mentalität wie die herrschende Clique im Kreml. Mit seinem Vorschlag dokumentiert er, dass der Kreml auf alles Völkerrecht, auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker wie auf die territoriale Integrität von Staaten, pfeift. Er widerlegt mit seinem Angebot auch die Propaganda Putins und Kyrills, die ja behaupten, mit ihrer „militärischen Spezialoperation“ das ukrainische „Brudervolk“ zu befreien und die gespaltene großrussische Nation zu vereinen.

Europa wird nicht zum Komplizen des Kreml

Alles Propaganda für schlichte Gemüter! Tatsächlich geht es dem Kreml nur darum, Beute zu machen – und dafür speist man die vermeintlich korrupten Europäer gerne mit einem Anteil an der Beute ab. Danke für die Klarstellung, Herr Medwedew!

Indes, so korrupt und verkommen sind die Europäer nicht. Sie werden nicht zum Komplizen der Verbrecher im Kreml und werden auch keinen schmutzigen Deal auf Kosten der Ukrainer machen. Sogar der lange zaudernde deutsche Kanzler Olaf Scholz hat das am Freitag neuerlich klargestellt: Das Ziel sei „ein fairer Frieden, und Voraussetzung dafür ist der Abzug der russischen Truppen“.

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
Stephan Baier Dmitrij Medwedew Russische Regierung Wladimir Wladimirowitsch Putin

Weitere Artikel

In den letzten sechs Monaten hat sich an der Front in der Ukraine nichts bewegt. Wo bleibt die Diplomatie, nach der Papst Franziskus rief? Ein Kommentar.
11.05.2023, 07 Uhr
Guido Horst

Kirche

Franziskus wird am Nachmittag unter Vollnarkose die Bauchhöhle geöffnet. Danach muss der Papst mehrere Tage in der Klinik bleiben.
07.06.2023, 10 Uhr
Meldung
Zeichen, an dem sich die Geister scheiden: Der Dogmatiker Jan-Heiner Tück arbeitet in einem Essay-Band verschiedene Perspektiven auf das Kreuz heraus.
07.06.2023, 07 Uhr
Stefan Hartmann
„Vereint mit allen Engeln“. In der 61. Folge des Katechismuspodcast erklärt Theologe Andreas Wollbold die Gegenwart der Engel in der Kirche.
07.06.2023, 14 Uhr
Meldung
Rom sorgt für erstaunliche Meldungen. Die jüngste betrifft die Versetzung des ehemaligen Papstsekretärs als „Privatmann“ nach Freiburg.
04.06.2023, 11 Uhr
Guido Horst
Die ZdK-Vorsitzende sorgt sich um die Zukunft der deutschen Kirchenreform. Doch „wortbrüchig“ sind nicht die Bischöfe, sondern diejenigen, die ihre Vollmacht nun nicht mehr anerkennen wollen.
02.06.2023, 11 Uhr
Jakob Ranke