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Mäßigung, bitte

Schuldzuweisungen haben in der Politik Konjunktur. Hier wäre weniger mehr.
Olaf Scholz Neigt nicht zur hyperaktiven Schnellschüssen
Foto: via www.imago-images.de (www.imago-images.de) | Neigt nicht zur hyperaktiven Schnellschüssen: Bundeskanzler Olaf Scholz.

Vielleicht ist es in Zeiten wie diesen gar nicht so falsch, mit Olaf Scholz einen Kanzler zu haben, dem aufgrund seiner Aura seriös-entschleunigender Langeweile gern Führungsschwäche unterstellt wird. Als am Dienstagnachmittag in einem polnischen Dorf unweit der Grenze zur Ukraine eine Rakete einschlug und zwei Menschen tötete, wussten andere Politiker der Regierungskoalition schneller über die Hintergründe Bescheid, als es einer fundierten Bewertung dienlich sein konnte.

Bereits am selben Abend forderte die FDP-Außenpolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann auf Twitter eine umgehende Erklärung des Kremls, und fügte hinzu: „Das ist das Russland, mit dem hier einige offenkundig und absurderweise immer noch ,verhandeln’ wollen“. Alexander Graf Lambsdorff, ebenfalls Mitglied der FDP-Bundestagsfraktion, twitterte noch am Mittwoch, es gebe wohl „jetzt schon Klarheit“, Polen bestätige den Einschlag einer russischen Rakete. Mittlerweile wird hingegen davon ausgegangen, dass es sich um eine fehlgeleitete ukrainische Flugabwehrrakete handelte. Kein kleiner Unterschied, hätte doch ein russischer Angriff auf den NATO-Staat Polen den Bündnisfall auslösen können.

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Vorsicht bei den Schuldzuweisungen

Auch Scholz‘ Parteifreundin, die SPD-Vorsitzende Saskia Esken, weiß mitunter recht schnell Bescheid. Als Mitte Oktober eine Unterkunft für ukrainische Kriegsflüchtlinge in Mecklenburg-Vorpommern abbrannte, ließ sich Esken mit den Worten zitieren, wer „Kriegsflüchtlinge fern aller Fakten als Sozialtouristen verleumdet, muss sich fragen lassen, welchen Anteil er hat an Hass und Hetze, die später in Gewalt mündet“. Die Anschuldigung traf den CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz, der kurz zuvor vor einem Missbrauch des Sozialsystems durch Ukrainer gewarnt hatte. Zugegeben, ein politischer Hintergrund war angesichts von kurz zuvor entdeckten Hakenkreuzschmierereien im Umfeld des Gebäudes nicht unwahrscheinlich gewesen. Doch nun ist als Hauptverdächtiger ein Feuerwehrmann festgenommen worden, der auch drei weitere Brände gelegt haben soll. Eine politische Motivation ist derzeit nicht erkennbar.

Es ist kein grundsätzliches Wesensmerkmal seriöser Politik, so sparsam zu kommunizieren wie Olaf Scholz. Eine Demokratie profitiert nicht von Debattenverweigerung à la Angela Merkel. Ein bisschen Mehr an verbaler Mäßigung, wenn es um Schuldzuweisungen geht, täte dem moralisch aufgeladenen Debattenklima in Deutschland hingegen ganz gut.

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