Um es gleich vorweg zu nehmen: Am meisten werden sich über das Gespräch zwischen Elon Musk und Alice Weidel die Anhänger von Björn Höcke ärgern, die Nationalromantiker und völkischen Ideologen. Denn das, was die AfD-Kanzlerkandidatin hier über sich und ihr Denken verriet, vor allem aber die Charakterisierung ihrer Partei als „libertär-konservativ“, kann niemandem schmecken, der sein Herz an Volkstanz und Wotan-Eichen verschenkt, aber noch nie in seinem Leben eine Bilanz gelesen hat. Hier wurde nicht über den drohenden Untergang des deutschen Volkes philosophiert, auch nicht aus den Büchern von Theoretikern der „konservativen Revolution“ zitiert. Eher galt die Devise: Höher, schneller, weiter. Die Wirtschaftswissenschaftlerin und der Physiker verstanden sich bestens in ihrem materialistischen Weltbild. Da braucht man keinen geistigen Überbau, es reicht zu wissen, dass sich Leistung nicht nur wieder lohnen muss, sondern sich auch lohnt. Wettbewerb, Markt, Kapitalismus eben – das sind die Säulen auf denen die schöne neue Welt von Weidel und Musk aufgebaut ist.
Das hört sich nicht nur gänzlich unromantisch an und mag manchen Theoretiker aus Schnellroda von der geschnitzten Bauernbank aufspringen lassen, es ist vor allem aber auch alles ziemlich modern. Wer aus welchen Gründen auch immer bisher hoffte oder auch die Angst hatte, die AfD sei eine anti-moderne Kraft, die Kanzlerkandidatin, mit der diese Partei die nächste Wahl gewinnen will, ist es jedenfalls nicht. Ob sie mit diesem Ansatz auch tatsächlich über die ganze Partei die Deutungshoheit erzielt, das ist damit freilich noch nicht gesagt. Man darf sich auf künftige Scharmützel um den weltanschaulichen Kurs freuen.
Fragen zum völkischen Flügel? Nicht nötig
Von Elon Musk hatte Weidel jedenfalls keine kritischen Fragen zu erwarten. Im ersten Teil, viele Aussagen hätten 1:1 so auch von jedem beliebigen FDP-Kommunalpolitiker stammen können, versicherten sich beide ihres gesunden Menschenverstandes. Da wurde über die überbordende Bürokratie in Deutschland geschimpft und mehr Freiheit für Unternehmer gefordert.
Dann ging es natürlich um die Migrationsprobleme: Hier erzählte die liebe Alice dem lieben Elon davon, wie schlimm die Lage in Deutschland sei und dass Deutschland schon seit sage und schreibe 25 Jahren von unfähigen Regierungen geführt werde. Im Grunde zeichnete sie das Bild eines Landes in der Vorstufe zum „failed state“, in dem zwar horrende Steuern gezahlt werden müssten, aber die Sicherheit der Bürger nicht mehr gewährleistet sei. Da fand Elon denn nun viele Parallelen zu der Situation in den USA wieder und versicherte wiederum treu, dass nur die AfD Deutschland aus dieser krisenhaften Lage befreien könne. Seine Freundin Alice hatte es ihm ja gerade so erklärt.
Nur einmal hakte er kurz nach, wie Weidel denn zum Existenzrecht Israels stehe. Klar stünde sie zum Existenzrecht des jüdischen Volkes. Und damit war offenbar für Musk die Frage nach dem Rechtsextremismus geklärt. Der Nationalsozialismus, so referierte Weidel, sei eben Sozialismus gewesen. Und Adolf Hitler auch nicht rechts, sondern ein Sozialist, gar ein Kommunist. Ja, so wie der Antisemitismus im Dritten Reich gegen die Juden, von denen viele wirtschaftlich erfolgreich gewesen seien, vor allem auch durch Neid angetrieben worden sei. So finde man auch jetzt wieder Antisemitismus bei linksextremen Gruppen. Viele Juden hätten angesichts der pro-palästinensischen Demonstrationen im Land Angst um ihre Sicherheit, die AfD stünde an deren Seite. Irgendwelche Fragen zum völkischen Flügel, die schienen Musk dann wohl nicht mehr nötig.
Materialismus als Common Sense
Am Schluss folgte dann noch ein etwas längerer Teil über Musks Pläne zur Besiedlung des Mars. Weidel ließ Musk, der gewiss etwas Pionierhaftes in seinem Wesen hat, aber eben auch zeitweise wie ein durchschnittlicher Physik-Nerd wirkte, einfach dozieren. Dadurch bekam man interessante Einblicke in sein Weltbild: Die Physik habe Gesetze, alles andere müsse entsprechend angepasst werden. Und dann kam auch noch die Gottes-Frage. Er stünde der Idee Gott offen gegenüber. Aber ob es tatsächlich eine Entität gebe, die über uns moralische Urteile fälle, da sei er doch skeptisch. Und auch Weidel bekannte, sie sei immer noch auf der Suche und verstehe sich als Agnostikerin.
Die ganze Aufregung vor dem Gespräch war, wie zu erwarten, völlig überzogen. Allerdings: Das optimale journalistisch geführte Interview mit Alice Weidel war es auch nicht. Gewiss, im ÖRR lässt man sie oft nicht aussprechen oder es kommt überhaupt kein richtiger Austausch zustande. Die Musk-Plauderei war aber eben auch nur eine Plauderei. Interessantes konnte man trotzdem erfahren. Auch manche Katholiken, die Sympathien für die AfD haben sollten, dürften aufgehorcht haben. Dieser als Common Sense verkaufte Materialismus dürfte ihnen nicht wirklich gefallen.
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