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„Leben und Sterben werden ausgeblendet“

Ein Podium auf dem Katholikentag befasst sich mit dem Umgang mit dem Ende des Lebens. Der Mediziner Grönemeyer meint: Das Sterben kommt in der Ausbildung viel zu kurz.
Podiumsdiskussion zur Sterbekultur
| Vom ersten Tag des Medizinstudiums an müssten philosophische und theologische Aspekte gelehrt werden, forderte der Mediziner Dietrich Grönemeyer (2.v.l.).

„Leben und Sterben werden ausgeblendet.“ Das sagte der bekannte Mediziner Dietrich Grönemeyer auf dem Katholikentag in Stuttgart. Bei der Podiumsdiskussion „Am Ende: Religion egal?“ im gut besetzten Beethoven-Saal der Stuttgarter Liederhalle ging es um den Umgang mit dem Ende des Lebens. Und der, so Grönemeyer, sei in den letzten Jahrzehnten in der Ausbildung der Mediziner viel zu kurz gekommen. Seit vielen Jahren setzt sich der auch als Buchautor („Der kleine Medicus“) tätige Grönemeyer für ein neues, ganzheitliches Verständnis von Medizin ein, die auch humanitäre und ökologische Aspekte angemessen berücksichtigt.

Sterbenden die Hand gehalten

Auch die Kirchen könnten dazu Unterstützung leisten, so Grönemeyer auf dem Katholikentags-Podium. Vom ersten Tag des Medizinstudiums an müssten philosophische und theologische Aspekte gelehrt werden, forderte er. Als junger Arzt habe er – entgegen der damals üblichen Praxis – am Bett von Sterbenden gesessen und ihnen die Hand gehalten.

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Aus ihrer täglichen Praxis berichtete auch Annette Stechmann, Klinikseelsorgerin aus Göttingen. Sie griff die Forderungen Grönemeyers auf und wies darauf hin, dass sich in der Ausbildung bereits einiges geändert habe. So sei die Palliativmedizin mittlerweile Teil der Ausbildung. Bei der Trauerbewältigung könnten auch christliche Rituale die Angehörigen tragen. „Ich würde nicht sagen, dass alles egal ist“, griff sie den Titel des Podiums auf. „Das Christentum bietet viel Gutes für die Verarbeitung von Tod und Sterben.“

Bestattung nur ein Teil der Trauerbegleitung

Das bestätigte auch Professor Eberhard Tiefensee, Priester und Theologe aus Leipzig. Er sehe seine Aufgabe als Christ darin, Impulse in die gesamte Gesellschaft zu senden, Rituale ins Spiel zu bringen und der Gesellschaft auf diese Weise ein Angebot zu machen. Ein Beispiel seien die Friedensdemonstrationen in Leipzig 1989, die von Christen rund um die Nikolaikirche ausgegangen seien, aber auch Nichtgläubige angesprochen hätten.

Ganz praktische Arbeit leistet auch Eric Wrede, Bestattungsunternehmer aus Berlin. Er verfolgt nach eigener Aussage einen „bedürfnisorientierten“ Ansatz. So sei die Bestattung nur ein Teil der Trauerbegleitung, zu der auch christliche Rituale gehörten. Wrede, selbst kein Kirchenmitglied, arbeitet dabei mit Geistlichen beider Konfessionen zusammen. Hier habe sich in den letzten Jahren einiges bewegt, mittlerweile würden die Kirchen in Berlin auch Menschen beerdigen, die keiner Konfession angehören. Er empfahl sogar, am Lebensende in ein katholisches Krankenhaus zu gehen, da dort der Umgang mit dem Tod sensibler sei. Den Umgang mit dem Tod bezeichnete er als „existenzielle Erfahrung“, die weder mit Intellekt oder dem Geldbeutel zu lösen sei.

Lesen Sie weitere Hintergrundberichte und Reportagen vom Katholikentag in Stuttgart in der kommenden Ausgabe der "Tagespost".

Themen & Autoren
Oliver Gierens Lebensschutz

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