Ein glücklicher Sozialist scheint, ebenso wie ein weißer Rappe, ein Ding der Unmöglichkeit zu sein. Was daran liegen könnte, dass der Sozialismus nicht bloß ein heilloses Unterfangen ist, sondern auch eines, das selbst seine Anhänger aufreibt. Angesichts der mangelhaften Kohärenz sozialistischer Theorien ist der Sozialist beständig gezwungen, Dinge zu tun, die er eigentlich ablehnt. Das beginnt bei der autoritären Steuerung von Gesellschaft und Wirtschaft, um das Ideal der Volksherrschaft zu verwirklichen, reicht über die Deformation von Kindern und Jugendlichen, um sie aus „bevormundenden“ Strukturen wie der Familie „zu befreien“ und endet bei der Verdummung ganzer Gesellschaften, um den Angehörigen sozial benachteiligter Klassen den Aufstieg durch Bildung zu ermöglichen.
Wenn nicht alles täuscht, hat der Rechtsruck in westlichen Gesellschaften auch damit zu tun, dass die inneren Widersprüche, mit denen Sozialisten sich herumschlagen, Kollateralschäden produziert, die hinzunehmen immer weniger bereit sind. Insofern braucht es nicht wundern, dass Sozialisten in Luxemburg und Spanien, Frankreich folgend, nun auch ein „Recht auf Abtreibung“ in ihre Verfassungen aufnehmen wollen. So soll die als „sozialistische Errungenschaft“ gefeierte Liberalisierung vorgeburtlicher Kindstötungen dem Zugriff sich wandelnder Mehrheiten entzogen werden.
Dieses Ansinnen ist voller Widersprüche
An Inkohärenz gewohnt, übersehen Sozialisten dabei, dass auch dieses Ansinnen voller Widersprüche ist. Denn lupenreine Volksherrschaft und ebensolches Fortschreiten kann es nur geben, wo diese durch keine Verfassung gebunden würden, sich der Rechtspositivismus so schrankenlos wie evolutionär Bahn bräche und – wie in der Natur üblich – häufig im Abgrund landete.
Die spannende Frage ist, warum Nichtsozialisten trotzdem gute Miene zum bösen Spiel machen. Nur den Klassenkämpfer braucht es nicht zu stören, wenn die Verfassung vermeintliche oder echte Rechte anstatt allen nur einem Teil garantiert. Ob dieser Teil nun sozialistisch-fortschrittlich „Personen mit Uterus“, oder aber, wie seit Urzeiten üblich, „Frauen“, genannt wird, fällt nicht einmal ins Gewicht. Von Belang ist hingegen, dass eine Verfassung, die Rechte nur für einen Teil kodifiziert, mit ihrer eigenen Idee bricht und daher kaum die Druckerschwärze wert wäre, die sie auf Papier bannte. Von selbst versteht sich, dass die friedensstiftende Funktion des Rechts, die für viele große Denker, von der Antike bis zur Neuzeit, ein kaum zu überschätzendes Gut darstellte, unter Sozialisten schlecht beleumundet ist. Wer den „Klassenfeind“ vernichten will, muss alles, was Frieden verheißen könnte, entweder ablehnen oder umfunktionieren. Gesetze zu Geschossen, Paragrafen zu Pistolen, Roben zu Rüstungen.
Christen könnten mutig vorangehen
Unverständlich bleibt allein, warum alle anderen einem solchen Ansinnen nicht ebenso ge- wie entschlossen entgegentreten. Was auch immer der Grund ist: Christen könnten mutig vorangehen. Ihr Glaube gebietet ihnen nicht nur die Gottesfurcht, sondern auch die Überwindung von Menschenfurcht. Hinzu kommt: Anders als die Theorien der Sozialisten ist ihre Lehre kohärent. Denn wenn es ein „Recht auf Abtreibung“ gäbe, kann es kein „Recht auf Leben“ geben. Wenn es aber kein Recht auf Leben gibt, gibt es, weil Rechte nur der haben kann, der lebt, überhaupt keine Rechte. Wenn es aber keine Rechte gibt, dann auch keines auf Abtreibung. Wer also dennoch ein Recht auf Abtreibung in die Verfassung schreiben will, zeigt, dass er erstens unglaublich hochmütig und zweitens unglaublich dumm – oder kürzer – bloß ziemlich modern ist.
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