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König Trump, die beleidigte Majestät

Selenskyj, der Aggressor, der Diktator? Donald Trump macht sich Russlands Narrative zu eigen. Seine Abneigung gegen den ukrainischen Präsidenten hat einen Grund.
Proteste gegen US-Präsident Donald Trump in Washington, D.C.
Foto: IMAGO/Michael Brochstein / SOPA Images (www.imago-images.de) | Kein König, sondern ein Clown: In Washington protestiert man gegen den amtierenden US-Präsidenten Donald Trump. Der wird gegenüber dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj verbal immer ausfälliger.

Dass mit Donald Trump im Weißen Haus andere Zeiten anbrechen würden, muss jedem klar gewesen sein, der die Worte des neuen US-Präsidenten in den letzten Jahren auch nur am Rande wahrgenommen hat. Mit welchem Tempo, ja mit welcher Rücksichtslosigkeit der Republikaner gerade einreißt, was Amerika und seine westlichen Verbündeten über Jahrzehnte aufgebaut haben, ist dennoch bemerkenswert.

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Trumps Drängen auf ein schnelles Ende des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine ließ zunächst auch bei entschiedenen Unterstützern des überfallenen Landes eine gewisse Hoffnung reifen: Hoffnung, Trumps Unberechenbarkeit, gepaart mit seinem Streben nach dem „besten Deal“, würden vielleicht dafür sorgen, dass am Ende ein Friedensabkommen stünde, das sich auch für die Ukrainer nicht wie eine Niederlage anfühlt – und die neoimperialen Bestrebungen Wladimir Putins vorerst unterbindet. Weit gefehlt.

Trump ist im Lager Putins angekommen

Trump zeigt sich nicht nur zu weitreichenden Zugeständnissen an Russland bereit, er scheint vielmehr vollends ins Lager des russischen Präsidenten übergetreten zu sein. Wie anders soll man seine Worte deuten, der ukrainische Präsident Selenskyj habe den Krieg selbst begonnen und sei „ein Diktator ohne Wahlen“, der besser schnell einlenken solle, bevor er kein Land mehr habe?

Selenskyj, der Aggressor, der Diktator? Damit übernimmt Trump exakt das russische Narrativ und betreibt eine Täter-Opfer-Umkehr, für die nur der Begriff „Geschichtsklitterung“ zutrifft. Auch die Tatsache, dass sich der US-Präsident offenbar Putins Forderung nach Wahlen in der Ukraine zu eigen macht, ehe ein detailliertes Abkommen ausgehandelt wird, ist ganz im Sinne des russischen Präsidenten, der darauf hofft, auf diese Weise einen seiner Getreuen in Kiew zu installieren.

Trump, das machte er nun wieder mit einem wohl nur halb ironischen, selbstverherrlichenden Posting in den Sozialen Medien deutlich, sieht sich weniger als Präsident, sondern als König. Mit einer mehrere Jahre zurückliegenden „Majestätsbeleidigung“ lässt sich auch seine Abneigung gegen Selenskyj erklären. Dass der ukrainische Präsident sich in einem inzwischen legendären Telefonat mit Trump 2019 weigerte, gegen den ehemaligen Vizepräsidenten Joe Biden wegen angeblicher dubioser Geschäftstätigkeiten in der Ukraine zu ermitteln, hat ihm Trump bis heute nicht verziehen. Die Causa mündete schließlich in ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Republikaner.

Während die Europäer mehr oder weniger hilflos versuchen, eine geschlossene Position im Umgang mit einem Amerika zu finden, das sich auf Scheidungskurs befindet, bleibt Selenskyj nichts anderes übrig, als im Streit mit Trump nicht nachzulegen und zu betonen, Kiew sei weiter an guten Beziehungen zu den USA interessiert. Die minimale Resthoffnung bleibt, dass sich vernünftige Köpfe in Trumps Team, wie der Ukraine-Sonderbeauftragte Keith Kellogg oder Außenminister Marco Rubio, bei ihrem Präsidenten etwas Gehör verschaffen können. Trumps jüngstes Gebaren lässt das aber wenig wahrscheinlich wirken. 

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