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Immer feste druff: Der Schaum vorm Mund der Brandmaurer

Der Augsburger Bischof Bertram Meier sagt Nachdenkliches über den Umgang mit dem einzelnen AfD-Mitglied. Die Kritiker holen gleich den großen Hammer raus. Zerschlagen ist am Ende die Diskussionskultur.
Der Augsburger Bischof Bertram Meier
Foto: Nicolas Armer (dpa) | Bischof Meier: "Wie die Kirche tritt etwa die AfD zum Beispiel für den Schutz ungeborenen Lebens oder die Ehe von Mann und Frau ein - und doch können wir als Kirche nicht unsere Sichtweise auf solche Überschneidungen ...

Klar, das klingt nach Kalenderblatt. Aber jeder mit ein bisschen Lebenserfahrung wird schon einmal gedacht haben: Das Gegenteil von gut ist nicht böse, sondern gut gemeint. Diejenigen, die jede Idee als latent faschistoid diffamieren, die jetzt jenseits starrer Brandmauer-Konzepte im Umgang mit der AfD vorgebracht wird, sind sicherlich felsenfest davon überzeugt, es gut zu meinen. Mit unserer Demokratie, unserer Freiheit, unserer Republik. Ganz nebenbei, und das ist dann doch vielleicht der eigentliche Hauptgrund, kann man dem politischen Gegner so noch einen mitgeben.

Stempel mit den Aufschriften „rechtspopulistisch“, „angebräunt“ oder „extremistisch“ anderen aufzudrücken, das macht bei den Vertretern der sonst ja ziemlich lädierten Ampel-Koalition Laune. Es sind die letzten Zuckungen des Mythos vom „Aufstand der Anständigen“. Wenn im politischen Tagesgeschäft eigentlich nichts richtig läuft, bleibt wenigstens die Selbstgewissheit, vor allem bei den Roten und Grünen, moralisch auf der richtigen Seite zu sein. Geradezu tragikomisch, derjenige, der einst das Wort vom „Aufstand“ geprägt hat, Ex-Kanzler Gerhard Schröder, flirtet gerade heftig mit einer neuen populistischen Kraft, der vor der Gründung stehenden Wagenknecht-Partei. 

Die Brandmaurer sind nur Taktiker, keine Strategen

Und dann das böse Resultat: Diese Brandmaurer sind, sie sehen es selbst natürlich nicht, bloße Taktiker, keine Strategen. Da, wo es nötig wäre über die Folgen für die nächsten 20 Jahre nachzudenken, reicht ihre Perspektive nur bis morgen Nachmittag. Statt auf den Parlamentarismus zu setzen, darauf zu vertrauen, dass frei gewählte Abgeordnete schon dazu in der Lage sind, wie auch immer geartete Wahlergebnisse für die parlamentarische Arbeit fruchtbar zu machen, stellen sie die Wirkmacht dieses grundlegenden Prinzips unserer Demokratie in Frage. Abgesehen davon, dass dann, wenn jede Entscheidung, die irgendwie unter Beteiligung der AfD zustande kommt, dadurch automatisch diskreditiert sein sollte, man den Blauen eine Veto-Macht von geradezu erschreckendem Ausmaß gibt. Am Ende, da wo in der Tat eine scharfe und vor allem analytisch präzise Kritik der AfD notwendig ist, hört niemand mehr hin. 

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Noch ein aktuelles Beispiel: Der Augsburger Bischöfe Bertram Meier hat in dieser Woche Nachdenkliches über den Umgang mit dem einzelnen AfD-Mitglied geäußert. Das Interview mit der „Augsburger Allgemeinen“ war gerade aus der Druckerpresse, da setzte auch schon der Shitstorm ein. Ganz vorne dabei: der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller, einer der Protagonisten des sogenannten „Synodalen Weges“. Und hier stellt sich dann schon die Frage: Ist das wirklich noch, zumindest von der Grundintention her, gut gemeint? Oder steht hier nicht vor allem von Beginn an die böse Absicht im Vordergrund, kurz: Soll ein Oberhirte, der in seiner Position nicht deckungsgleich mit der eigenen kirchenpolitischen ist, diffamiert werden?

Meier schaut kritisch auf die AfD

Aber der Reihe nach, was hat Bischof Meier überhaut gesagt?  „Wir müssen gut hinschauen und prüfen. Die AfD lediglich als Partei der Protestwähler zu interpretieren, greift mittlerweile deutlich zu kurz.“ Und: „Wir als katholische Kirche werden immer dafür Sorge tragen, dass menschenverachtende oder demokratiefeindliche Gruppierungen und Einzelpersonen benannt werden.“ Daran schloss Meier den Appell „an jede und jeden“ an, das Parteiprogramm zu studieren und sich mit einzelnen Kandidaten zu befassen. „Es gilt, die politischen Kräfte zu stärken, die Menschlichkeit, Versöhnung, Frieden und soziale Gerechtigkeit vertreten“, so der Bischöfe. Schließlich schaut Meier auch noch auf einen Aspekt, den manche christliche Unterstützer der AfD als Begründung anführen, und zwar kritisch: „Wie die Kirche tritt etwa die AfD zum Beispiel für den Schutz ungeborenen Lebens oder die Ehe von Mann und Frau ein - und doch können wir als Kirche nicht unsere Sichtweise auf solche Überschneidungen verengen.“

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Foto: privat / dpa | Woche für Woche berichtet unser Berlinkorrespondent in seiner Kolumne über aktuelles aus der Bundeshauptstadt.

Und wie reagiert nun Schüller? „Es gibt keine guten christlichen und keine schlechten AfD-Mitglieder. Wer der AfD angehört, verachtet die Demokratie, spricht Menschen mit Behinderung oder anderer Hautfarbe das Existenzrecht ab, kurz: verhöhnt die Grundaussagen des christlichen Glaubens wie die Ebenbildlichkeit des Menschen“, sagt er der Deutschen Presse-Agentur.

Es geht um kirchenpolitische Ambitionen

Hatte Meier das aber überhaupt behauptet? Doch Schüller zielt sowieso in eine ganz andere Richtung ab: „Bischof Meier stellt sich damit in die Tradition der deutschen Bischöfe in der NS-Zeit, die das menschenverachtende System nicht aktiv bekämpft haben. Er wird zum Steigbügelhalter für eine breiter werdende gesellschaftliche Akzeptanz von Rechtsradikalen“, so der Münsteraner Professor.

Was will der Theologe damit erreichen? Entweder offenbart er hier deutliche historische Wissenslücken, wenn er wirklich denkt, dass dieser Vergleich hier angemessen sei. Oder aber, und es ist leider die realistische Option, Schüller ist hier allein von kirchenpolitischen Ambitionen getrieben und instrumentalisiert dafür dieses so sensible Thema. Auch Schüller ist nur ein Taktiker, kein Stratege für das Gute. Verwundert ist man eigentlich nicht mehr.

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