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Glückwunsch, Kanzler!

Wer zum Geburtstagsempfang für Friedrich Merz kommt und wer nicht, spricht Bände. Ob auch die jüngsten Umfragewerte der Oppositionsparteien für den Bundeskanzler Geschenke sind?
70. Geburtstag von Friedrich Merz
Foto: IMAGO / Sven Simon | 70 ist das neue 50: Der Kanzler erfreut sich bester Gesundheit und ist nur politisch auf fremde Hilfe angewiesen. Doch auch er sollte einige Dinge beachten, um langfristig zu reüssieren.

Die Dussmann-Gruppe ist im Ursprung ein Reinigungsservice für Großraumbüros. Peter Dussmann gründete 1963 in München sein Putz-Start-Up mit 2.000 Mark Anfangskapital und baute es zu einem der weltweit größten Familienunternehmen für Dienstleistungen aus. Das Unternehmen wuchs unter seiner Führung zu einem internationalen Konzern heran, der heute an vielen Orten die Marktführerschaft beansprucht bei Facility Management, Catering und Senioren-Pflegedienst.

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Dass auch am heutigen 70. Geburtstag von Friedrich Merz die Dienste der Dussmann-Gruppe in Anspruch genommen werden, hat jedoch nichts zu tun mit Seniorenbetreuung und Pflegedienst. 70 ist das neue 50: Der Kanzler erfreut sich bester Gesundheit und ist nur politisch auf fremde Hilfe angewiesen. Es geht also heute nicht um Dussmanns Pflege – sondern um die Verpflegung.

Ex-Kanzlerin Merkel sagt wegen Israel-Reise ab

Denn den Geburtstagsempfang im Reichstagsgebäude mit etwa 300 Gästen versorgt Dussmann mit Canapés, lauwarmen Amuse-Gueules vom Löffel und Petit Fours. Erst im letzten Jahr wurde der Catering-Vertrag um weitere fünf Jahre verlängert. Produkte regionaler Bio-Betriebe rund um Berlin werden vertragsgemäß bevorzugt. Kaffee, Tee, Kakao und Bananen stammen aus fairem Handel und nachhaltigem Anbau, sodass parallel zur Klimakonferenz in Bélem kein Shitstorm wütender Attac-Aktivisten wegen der Merz-Geburtstagsnacks droht. Das Dussmann-Catering-Personal trägt beim Merz-Geburtstag übrigens Dienstkleidung in der Symbolfarbe schwarz.

In der Küche des Berliner Reichstags
Foto: Dussmann Gruppe | In der Küche des Berliner Reichstags ist alles für den Geburtstagsempfang von Friedrich Merz vorbereitet.

Mitessen dürfen alle CDU-Bundestagsabgeordneten, die Unions-Ministerpräsidenten, die Fraktionschefs von SPD und Grünen, Vizekanzler Lars Klingbeil sowie die ehemaligen Fraktionschefs der Union. Nur Ex-Kanzlerin Angela Merkel hat wegen einer Israel-Reise abgesagt. Sie trinkt auf das Wohl ihres Nachfolgers – oder auf ihr eigenes – höchstens ein Glas Rotwein von den Golan-Höhen und knabbert ein Falafel-Bällchen.

Nicht eingeladen ist Sahra Wagenknecht von der Sahra-Wagenknecht-Partei BSW, die derzeit nicht im Bundestag vertreten ist, aber noch einmal nachzählen lassen will. Wagenknechts Rücktritt von der Spitze der eigenen Bewegung ist kein Geburtstagsgeschenk für Friedrich Merz, sondern eher das Gegenteil, also eine Art Danaergeschenk. Denn was aussieht wie eine kleine Kapitulation, könnte sich in näherer Zukunft als Herausforderung erweisen. Zum einen hat Wagenknecht erkannt, dass eine Person, anders als früher ihre alte SED-Partei, nicht immer Recht haben kann. Deshalb kehrt sie zurück in die programmatisch-ideologische Parteiarbeit. Sich selbst nimmt sie dabei nur scheinbar zurück. Ihre Hoffnung liegt darin, mit dem Rückenwind programmatischer Ideologie gestärkt und erfrischt zurückzukehren. Die personelle Flexibilität, die das BSW nun erhält, könnte der Partei mit Blick auf die anstehenden Wahlen 2026 in den Ländern möglicherweise nutzen.

Merz braucht ein gut poliertes „C“ 

Doch denkbar ist auch eine andere Option. Enttäuschte Wagenknecht-Fans, die mit der rotzigen „Barrikaden-Heidi“ Reichinnek fremdeln, könnten sich mangels Alternative der „Alternative für Deutschland“ zuwenden, die sich gerade gestern bei Maischberger in Person von Markus Frohnmaier selbstbewusst und umfragengestützt als 27-Prozent-Partei gerierte.

Doch dagegen steht ein anderes Umfrageergebnis als unverhofftes Geburtstagsgeschenk für Friedrich Merz: Die AfD hat ihren Zenit möglicherweise erreicht. Jedenfalls legen das die letzten Zahlen von Infratest-Dimap nahe. Danach hat die AfD ihr Potential bei 27 Prozent nahezu ausgeschöpft, fast alle Wähler anderer Parteien geben an, keinesfalls diese Partei wählen zu wollen.

Was Merz braucht, damit sich das nicht ändert, ist starkes, sichtbares Handeln, das einem klaren Kurs folgt. Sein Mitte-Rechts-Kurs, den er immer wieder zur linken Koalitionsseite ausbalancieren muss, er scheint, um es mit Angela Merkel zu sagen, alternativlos. Ein nach Dussmann-Standards gut poliertes „C“ im Parteinamen sollte dabei nicht schaden. 

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