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Gerhard Schröder: Ist der Kanzler mit dem Strolchi-Charme wieder da?

Schröder hat den sozialdemokratischen Traum gelebt: sozialer Aufstieg. Deswegen ist der Alt-Kanzler näher dran am Sozi-Kernklientel als viele Genossen. Er wird er für die SPD wichtig bleiben, trotz aller Liebedienerei gegenüber Putin.
Gerhard Schröder - seit 60 Jahren SPD-Mitglied
Foto: IMAGO/Chris Emil Janssen (www.imago-images.de) | Alles Weicheier außer Gerd – das ist Schröders heimliches Credo. Und das verleiht ihm auch diesen speziellen Strolchi-Charme.

Paria war gestern. 60 Jahre SPD-Mitglied, vor 25 Jahren wurde Gerhard Schröder zum ersten Mal als Bundeskanzler vereidigt. Und anders, als man noch vor Monaten gedacht hätte, beide Schröder-Jubiläen werden nicht totgeschwiegen. Ganz im Gegenteil: Obwohl keine öffentliche Veranstaltung, will jeder wissen, wer denn an der heutigen Feierstunde in Hannover aus der Parteiprominenz teilnimmt.

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Quasi als Vorprogramm erschien vor einigen Tagen ein langes Interview mit Schröder in der „Berliner Zeitung“. Der Alt-Kanzler konnte dort seine Einschätzungen zur internationalen Lage nicht trotz seiner Putin-Liebedienerei verbreiten, seine Haltung zu Russland bildete vielmehr die Basis für seine Ausführungen. Am meisten Schlagzeilen machte Schröders Aussage, seiner Meinung nach hätten die USA mögliche Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland verhindert.  

Schröder bleibt weiter eine Identifikationsfigur für die SPD

Trotz aller Parteiausschluss-Versuche, solche Argumentationsmuster gelten in manchen Teilen der SPD immer noch als „Friedenspolitik“.  Neu nur, dass dies jetzt auch wieder öffentlich gesagt wird. Die frühere niedersächsische Ministerin Heidi Merk lobte ihn laut Medienberichten bei der Feier heute ausdrücklich für diesen Ansatz, im Publikum saßen unter anderem Ex-Innenminister Otto Schily und der frühere Hannoveraner Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg. 

Das alles zeigt: Schröder bleibt weiter eine Identifikationsfigur für die SPD. Dies liegt auch daran, dass seine Biographie anders als bei vielen Spitzen-Genossen der Gegenwart geradezu ikonisch für den alten sozialdemokratischen Traum ist: Aufstieg durch Bildung. Als Sohn einer Soldatenwitwe wuchs er zusammen mit seinen Geschwistern in bitterster Armut auf, sie seien die Asozialen gewesen, sagte er einmal. Aber der junge Gerd schaffte den Weg vom Drogerie-Lehrling bis ins Bundeskanzleramt. „Street credibility“ nennt man das im Rap. 

Kein anderer Kanzler, auch nicht Willy Brandt oder gar Helmut Schmidt, wusste so wie er, wie es auf der Straße zugeht. Das machte und macht ihn immer noch robust gegenüber Widersprüchen. Alles Weicheier außer Gerd – das ist sein heimliches Credo. Und das verleiht ihm auch diesen speziellen Strolchi-Charme, Sie wissen schon der clevere Straßenköter aus dem Disney-Film. Dieser Charme ist nicht bloß bissig, sondern strahlt auch eine Virilität aus, die in der deutschen Linken selten geworden ist.

Er stand nie in der Gefahr, Ideologe zu werden

Schröder stand nie in der Gefahr, Ideologe zu werden. Er stammte nicht aus der bürgerlichen Gesellschaft, er musste sich nicht wie die traumatisierten Bürgerkinder der 68er Generation von einem Establishment-Elternhaus emanzipieren. Das alles hatte er nicht. Stattdessen erkannte er die Chancen, die die Leistungsgesellschaft einem bietet, der so wie er nach oben will.  

Schröder ist deswegen immer noch näher dran an der Lebenswelt des Kernklientels der Sozialdemokraten. Dort, wo die Currywurst tatsächlich als „Kraftriegel des deutschen Arbeiters“ gilt. Sein Putinismus stört dort weniger. Eher führt er zu Anerkennung, hier stehe eben einer zu seinem Freund, komme was da wolle. So einen wie Schröder hat die SPD bisher noch nicht wieder gefunden. Verzichten wird sie auf ihn deswegen nicht können.  

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