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Gerhard Schröder, die Würde des Staates und die Stilphobie der Deutschen

Der Alt-Kanzler bekommt seine Büro-Räume nicht zurück. Das ist richtig. Doch wie halten es die Deutschen mit dem Stil?
Gerhard Schröder bekommt seine Büro-Räume nicht zurück.
Foto: Uwe Anspach (dpa) | Das Berliner Verwaltungsgericht hat die Klage von Alt-Kanzler Gerhard Schröder zurückgewiesen. Der 79-Jährige hat kein Recht auf ein Büro inklusive Mitarbeiter.

Abgelehnt: Das Berliner Verwaltungsgericht hat die Klage von Alt-Kanzler Gerhard Schröder zurückgewiesen. Der 79-Jährige hat kein Recht auf ein Büro inklusive Mitarbeiter. Der Bundestag hatte ihm im Mai letzten Jahres die Mittel dafür gestrichen. Der Grund: Die Kumpanei des Alt-Kanzlers mit Wladimir Putin.

Bevor wir uns aber weiter mit „Gas-Gerd“ beschäftigen, zunächst der Blick nach London. Denn dort schauen wir Deutschen in diesen Tagen, kurz vor der Krönung von König Charles III., ja besonders gerne hin. Unsere Faszination für die britische Monarchie wurzelt im Staunen. Wir Deutschen sind immer wieder neu davon beeindruckt, wie die Briten es schaffen, trotz aller Skandale und Skandälchen, im Einklang mit ihrer Geschichte die Würde ihres Staates und den Respekt vor deren Repräsentant zu zelebrieren. Wie gerne würden wir das auch können.

"Alles viel zu teuer"

Es liegt ja nicht nur daran, dass wir eine Republik sind – denn das sind die USA auch, aber trotzdem gelingt den Amerikanern immer wieder aufs Neue eine prachtvolle Inauguration ihres Präsidenten. Die Probleme, die wir Deutschen mit solchen Fragen haben, reichen tiefer. Es mangelt einfach an Stil. „So ein Brimborium“ – das ist es, was vielen Deutschen zuerst einfällt, wenn sie erkennen, wie viel Aufwand und Energie es kostet, solche Anlässe protokollarisch würdig zu gestalten. Und dann denken sie ans Geld: „Alles viel zu teuer.“ 

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Die Geldfrage ist es wohl auch in erster Linie, die den deutschen Michel nun zufrieden lächeln lässt, wenn er von der Berliner Gerichtsentscheidung in Sachen Alt-Kanzler erfährt. Und gewiss, es ist nicht schlecht, wenn jetzt Steuergeld gespart werden kann. Aber darum geht es nicht. Schröder hat deswegen seine Ansprüche auf ein lebenslanges Büro verwirkt, weil er als ehemaliger Bundeskanzler nicht den moralischen Ansprüchen gerecht geworden ist, die unser Gemeinwesen an seinen ehemaligen Repräsentanten stellt. Es geht hier eben wieder um Stil. Als ehemaliger Amtsträger muss Schröder wissen, dass er auch im Ruhestand international wie auch national immer noch als ein Repräsentant Deutschlands wahrgenommen wird. Er ist nicht einfach nur ein lustiger Pensionär, der fortan tun kann, was er will. Er steht, wenn man so will, weiterhin im Dienst.

Schröder hat die Abmachung gebrochen

Weil das so ist, stellt der Staat ehemaligen Bundeskanzlern und Bundespräsidenten lebenslang ein Büro zur Verfügung. Nicht damit sie auf eine gute Infrastruktur zurückgreifen können, um ihre persönlichen Geschäfte effektiver abschließen zu können. Dahinter steht eine stillschweigende Vereinbarung: Wir, der Staat, unterstützen dich, weil du dich weiterhin in unseren Dienst stellst. Und ich, der Alt-Kanzler, trage im Gegenzug dafür Sorge, durch mein Verhalten das Ansehen der Bundesrepublik nicht zu beschädigen.

Schröder hat diese Abmachung gebrochen und trägt jetzt zurecht die Konsequenzen. Wir Deutschen aber können lernen: Stilfragen sind keine Lappalien. Deswegen gilt für morgen: Bitte in London ganz genau hinschauen.   

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