Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Kommentar um „5 vor 12“

Für die Verteidigungsfähigkeit braucht es Vertrauen

Der Streit um die Wehrpflicht ist nur ein Oberflächenphänomen. Eine Armee braucht nicht nur Mannstärke, sondern auch Moral.
Debatte um Wehrpflicht
Foto: IMAGO / Bihlmayerfotografie | Die Wehrpflicht ist im Prinzip eine sinnvolle Institution. Doch sie kann nur funktionieren, wenn sie auf Vertrauen in den Staat und seine Institutionen gründet.

Laut einer aktuellen Umfrage von Forsa befürworten 54 Prozent der Deutschen die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht. Ironisch, dass diese Forderung gerade von denjenigen kommt, die selbst zu alt für den Dienst an der Waffe wären: die Generation 60plus. Unter den Parteianhängern sind es mit 74 Prozent die Wähler der CDU und CSU, welche die Wehrpflicht am stärksten unterstützen. Dabei war es gerade Angela Merkel, die für deren Aussetzung verantwortlich ist.

Lesen Sie auch:

Im Bundestag wurde jüngst über eine Wehrpflicht per Losverfahren verhandelt. Dieser Kompromiss ist inzwischen geplatzt. Dies zeigt, wie schwer sich die Bundesregierung tut, auf die sicherheitspolitische Realität zu reagieren. Dass die Frage nach der Rückkehr zur Wehrpflicht überhaupt wieder Einzug in den politischen Diskurs genommen hat, liegt vor allem daran, dass auch der Krieg in Europa sein Comeback gefeiert hat. Seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs besteht auch hier die endgültige Gewissheit, dass sich militärische Konflikte nicht immer mit diplomatischen Mitteln oder mit Sanktionsdrohungen vermeiden lassen.
 
Die Zustimmung zur Wehrpflicht in der Bevölkerungsmehrheit ist wohl weniger Ausdruck einer Kriegslüsternheit, sondern eines tiefen Bedürfnisses nach Sicherheit. Im Fall der Fälle will man dazu bereit sein, sich gegen einen Aggressor zur Wehr zu setzen. Die Motive der Minderheit der Wehrpflichtskeptiker dürften ganz unterschiedlich sein, nicht zu unterschätzen ist freilich die in den letzten Jahren stetig gestiegene Skepsis gegenüber den Repräsentanten und Institutionen des Staates. Nach dem Motto: Wer kann garantieren, dass die aufgerüstete Armee nicht im Interesse „fremder Mächte" kämpft anstatt im eigenen? Nicht wenige Menschen gerade im Osten Deutschlands fürchten, die Regierung plane womöglich, deutsche Soldaten irgendwann in der Ukraine zu „verheizen“. Auch deshalb ist die AfD, aktuell immerhin umfragenstärkste Partei, in der Wehrpflichtfrage derzeit gespalten.

Lesen Sie auch:

Die Wehrpflicht ist im Prinzip eine sinnvolle Institution. Doch sie kann nur funktionieren, wenn sie auf Vertrauen in den Staat und seine Institutionen gründet. Denn Wehrpflicht bedeutet nicht automatisch Wehrhaftigkeit. Eine Armee braucht nicht nur Mannstärke, sondern auch Moral. Wie die Bürger, die hinter der Armee stehen sollen, müssen auch die Soldaten wissen, wofür sie kämpfen – und für wen. Auch wenn die Regierung sich im Wehrpflichtstreit noch zu einer gemeinsamen Lösung zusammenrauft, erst danach fängt die wirkliche Mammutaufgabe an: die Zeitenwende im beschädigten Vertrauensverhältnis zwischen Staat und Bürgern hinzubekommen.

Katholischen Journalismus stärken

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Stärken Sie katholischen Journalismus!

Unterstützen Sie die Tagespost Stiftung mit Ihrer Spende.
Spenden Sie direkt. Einfach den Spendenbutton anklicken und Ihre Spendenoption auswählen:

Die Tagespost Stiftung-  Spenden

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
Jakob Naser Alternative für Deutschland CDU CSU Deutscher Bundestag Forsa-Institut

Weitere Artikel

Das hätte so auch Tino Chrupalla sagen können: Die Altkanzlerin gibt Polen und den baltischen Staaten eine Mitschuld am russischen Angriffskrieg. Ausgerechnet in Ungarn.
08.10.2025, 11 Uhr
Sebastian Sasse
Die Lage der Union im Osten ist bescheiden. Nun mahnen zwei ehemalige Unions-Generalsekretäre, den Umgang mit der AfD zu überdenken.
15.10.2025, 17 Uhr
Meldung

Kirche

Die erste Auslandsreise führte Papst Leo zum Jubiläum des Konzils von Nicäa in die Türkei – nicht aus Nostalgie, sondern für die Wiedervereinigung der gespaltenen Christenheit.
01.12.2025, 20 Uhr
Stephan Baier
Luzifer ist ein anderer Name des Teufels. Luzius hingegen ein christlicher Heiliger. Was er mit dem Advent zu tun hat?
02.12.2025, 00 Uhr
Redaktion