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Zeitenwende in Nahost

Die Geiseln sind endlich frei. Für die israelische wie für die palästinensische Gesellschaft kann erst jetzt die Zeit der Traumabewältigung beginnen.
Alle noch lebenden israelischen Geiseln sind frei
Foto: IMAGO / ZUMA Press Wire | Donald Trumps 20-Punkte-Plan zeigt Wirkung: Alle noch lebenden israelischen Geiseln sind endlich frei – nach grauenvollen 738 Tagen Gefangenschaft.

Was der Regierung Netanjahu in zwei Jahren Krieg nicht gelang, schaffte Donald Trumps 20-Punkte-Plan binnen zwei Wochen: Alle noch lebenden israelischen Geiseln sind endlich frei – nach grauenvollen 738 Tagen Gefangenschaft. Allein das rechtfertigt alle Anstrengungen, die in den vergangenen Wochen regional und international unternommen wurden. Zwei Jahre lang hatten nicht nur die Angehörigen gehofft und gebangt, demonstriert und protestiert, sondern die israelische Gesellschaft.

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Jetzt erst kann die Zeit der Traumabewältigung beginnen. Traumatisiert sind die nun endlich heimgekehrten Gefangenen, die körperlich wie psychisch noch lange beschädigt und beeinträchtigt sein dürften, denen die Grauen der Geiselhaft noch lange in Alpträumen begegnen werden und die alle Unterstützung verdienen. Traumatisiert ist auch die israelische Gesellschaft, die nach dem massenmörderischen Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 in eine fatale Alternative trieb – in die Kontroverse darüber, ob der Geiselbefreiung oder der Vernichtung der Hamas-Terroristen die Priorität einzuräumen sei.

Der Papst ist Anwalt der Menschlichkeit

Traumatisiert sind aber auch Hunderttausende Palästinenser, die Verwandte und Freunde, ihre Häuser und ihre Lebensgrundlage verloren haben. Auch deren Wunden heilen nicht mit einem einzelnen Verhandlungserfolg. Auch an sie dachte Papst Leo XIV., als er am Sonntagmittag in Rom sagte: „Zwei Jahre Krieg haben überall Tote und Ruinen hinterlassen, vor allem in den Herzen derer, die auf brutale Weise Familienangehörige und Freunde verloren haben.“ Das Leid der Menschen lässt sich nicht gegeneinander aufrechnen – und der Papst ist in seinen Wortmeldungen kein politischer Akteur, sondern ein Anwalt der Menschlichkeit.

In seiner sonntäglichen Ansprache mahnte Leo XIV., die „berechtigten Ziele des israelischen und des palästinensischen Volkes“ zu respektieren. Trumps 20-Punkte-Plan hat – im Gegensatz zu früheren Wortmeldungen des US-Präsidenten – genau diesen Ansatz verfolgt und war darum im ersten Schritt erfolgreich. Die nächsten Tage werden zeigen, ob die Akteure in der Region und die regieführende Weltmacht USA den langen Atem haben, den mühsamen Weg der schwierigen Kompromisse weiterzugehen.

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Stephan Baier Benjamin Netanjahu Donald Trump Hamas Leo XIV. Päpste

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