Der ukrainische Parlamentspräsident kommt nach Wien, aber die FPÖ will ihm nicht einmal zuhören. Es wäre schon unhöflich und ungezogen, wenn die Parlamentarier einer Oppositionspartei den Gastauftritt irgendeines demokratisch legitimierten Parlamentspräsidenten boykottierten. Angesichts des mörderischen Überfalls Putins auf die Ukraine einem Repräsentanten der leidenden Opfernation keine Aufmerksamkeit schenken zu wollen, ist jedoch ein Skandal. Ein solches Verhalten ist nicht bloß flegelhaft, sondern skandalös. Die FPÖ hat sich damit außenpolitisch disqualifiziert.
Gemeinsame Geschichte
Ruslan Stefantschuk, der Präsident des ukrainischen Parlaments, erinnerte die österreichischen Abgeordneten an die gemeinsame Geschichte, an die unter Kaiser Franz Joseph in der Westukraine gebauten Häuser und an das Maria-Theresia-Denkmal in Uschgorod. Eine solche Geschichtsstunde hätte den Putin-Verehrern in der FPÖ gutgetan. Vielleicht hätten zumindest die Intelligenteren unter ihnen verstanden, dass die Ukraine nicht Russlands Hinterhof ist, sondern ein Staat mit ost- wie auch mitteleuropäischer Tradition und Geschichte. Jedenfalls ein Land, dessen Bürger sich für den europäischen Weg der demokratischen Rechtsstaatlichkeit entschieden haben – und deshalb zum Opfer des Autokraten im Kreml werden.
Täter und Aggressor
Nicht nur den Charakter der Ukraine haben die FPÖ-Ideologen falsch verstanden, sondern auch den Charakter dieses Kriegs. Es kann angesichts des russischen Vorgehens keinen Zweifel darüber geben, wer hier der Täter und Aggressor ist. Putin trägt die Verantwortung für die Invasion, für den zehntausendfachen Tod, für die millionenfache Vertreibung, für die barbarischen Kriegsverbrechen. Wenn sich die FPÖ bei ihrem Boykott der Rede des ukrainischen Parlamentspräsidenten nun auf die Neutralität Österreichs beruft, setzt sie sich intellektuell wie moralisch ins Zwielicht. Österreichs militärische Neutralität bedeutete nie eine Äquidistanz zu Opfern und Tätern, zu Demokratie und Diktatur.
Zum Glück in der Opposition
Österreich kann sich glücklich schätzen, dass eine moralisch und außenpolitisch derart irrlichternde Truppe wie die Kickl-FPÖ in diesen Kriegs- und Krisenzeiten nicht mehr der Regierung angehört. Die schwarz-grüne Bundesregierung hat die Alpenrepublik klar europäisch positioniert: Wien hilft der Ukraine finanziell und mit der Aufnahme von Flüchtlingen, verurteilt die russischen Kriegsverbrechen und unterstützt den europäischen Weg Kiews. Die FPÖ hat sich an diesem Dienstag als nicht regierungsfähig erwiesen.
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