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Explosion in christlichem Krankenhaus verschärft Krise im Nahen Osten

Hunderte Menschen sollen einem Angriff zum Opfer gefallen sein. Doch wer dafür verantwortlich ist, ist umstritten.
Nahostkonflikt - Krankenhaus in Gaza-Stadt getroffen
Foto: Abed Khaled (AP) | Palästinenser begutachten die Schäden in einer Kirche, die Menschen als Unterschlupf diente, im al-Ahli Krankenhaus. Nach der Explosion in einem Krankenhaus in Gaza wächst die Sorge vor einer Eskalation des Konflikts.

Eine Explosion auf dem Gelände des einzigen christlichen Krankenhauses im Gazastreifen hat Spannungen im Nahen Osten drastisch verschärft. Bei der Explosion am Dienstagabend und dem nachfolgenden Brand seien mehrere hundert Menschen ums Leben gekommen, sagte Volker Türk, der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte. „Mir fehlen die Worte. Heute Nacht wurden bei einem massiven Angriff auf das Al Ahli Arab Hospital in Gaza-Stadt Hunderte von Menschen getötet - auf grausame Weise -, darunter Patienten, medizinisches Personal und Familien, die in und um das Krankenhaus Zuflucht gesucht hatten. Wieder einmal waren es die Schwächsten“, so Türk in einem offiziellen Statement.

Das anglikanische Bistum Jerusalem, das Träger der Klinik ist, teilte mit, der Tag des Fastens und Gebets für den Frieden, den die Kirchen im Heiligen Land am gestrigen Dienstag abgehalten hatten, sei „durch einen brutalen Angriff auf unser anglikanisches Bischofskrankenhaus Al Ahli in Gaza während der israelischen Luftangriffe überschattet“ worden. Die Anglikaner verurteilten „diesen grausamen Angriff, der sich im Herzen des Gazastreifens“ ereignet habe, wo es weiterhin keine sicheren Zufluchtsorte gebe. Eine unmissverständliche Schuldzuweisung vermied die anglikanische Kirche in ihrem Statement.

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Arabische Staaten beschuldigen Israel

Die Meldung, nach der bei der Explosion hunderte Menschen ums Leben gekommen sein sollen, stammt nach Angaben der deutschen Presseagentur (dpa) vom Gesundheitsministerium des Gazastreifens, welches von der dort regierenden Hamas kontrolliert wird und von „hunderten Toten“ in Folge eines israelischen Luftangriffs auf das Krankenhaus ausgeht. Dieser Darstellung widerspricht die israelische Armee vehement. Die Explosion sei stattdessen auf eine fehlgeleitete Rakete der Terrororganisation „Islamischer Dschihad“, die ebenfalls vom Gazastreifen aus operiert, zurückzuführen. Zudem hätte ein israelischer Bombenangriff zu einem charakteristischen Krater führen müssen. In der Tat zeigen Videos und Bilder, die derzeit auf der Nachrichtenplattform „X“ kursieren, lediglich geringe strukturelle Schäden am Krankenhaus und einen Parkplatz mit ausgebrannten Fahrzeugen. Bildbelege, die eine wirklich hohe Zahl von Opfern plausibel machen, sind bisher nicht aufgetaucht.

Ungeachtet der gegensätzlichen Darstellungen haben zahlreiche arabische Länder bereits Israel für die Explosion verantwortlich gemacht. Wie die dpa berichtet, verurteilte etwa das saudische Außenministerium das „abscheuliche Verbrechen“, als dessen Urheber es Israel ansieht, „aufs Schärfste“. Ähnlich äußerten sich Marokko, Bahrain, und die Vereinigten Arabischen Emirate. Auch der türkische Präsident Erdogan schloss sich dieser Interpretation an. Er schrieb auf X, der Angriff auf das Krankenhaus sei „das jüngste Beispiel für israelische Angriffe, die frei seien von den grundlegendsten menschlichen Werten.“ Auch Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sieht Israel in der Verantwortung und sprach von einem „Krankenhaus-Massaker“. Er rief eine dreitägige Staatstrauer aus.

Scholz fordert Aufklärung

Die Explosion torpediert Bemühungen des US-Präsidenten Joe Biden um eine Verständigung mit Israel und arabischen Staaten. So wurde ein Treffen Bidens, der im Lauf des Mittwochs in Israel angekommen ist, mit dem jordanischen König Abdullah II. und Ägyptens Präsident Fattah al-Sisi in Jordanien abgesagt. Noch vor seinem Abflug hatte Biden mitgeteilt, er sei „schockiert und tief betrübt“. „Die Vereinigten Staaten setzen sich entschieden für den Schutz der Zivilgesellschaft während des Konflikts ein, und wir betrauern die Patienten, das medizinische Personal und andere Unschuldige, die bei dieser Tragödie verwundet oder getötet wurden.“ Die Frage, ob die Rakete von den israelischen Streitkräften oder der Hamas selbst abgefeuert wurde, thematisierte der US-Präsident nicht.

Bundeskanzler Olaf Scholz, der als erster ausländischer Regierungschef nach der Hamas-Terrorattacke nach Israel gereist war, befindet sich mittlerweile in Ägypten, wo er seinerseits mit Fattah al-Sisi zusammentreffen wird. Auch Scholz bekundete seine Betroffenheit auf X, wo er schrieb: „Ich bin entsetzt über die Bilder, die uns von der Explosion in einem Krankenhaus in Gaza erreichen“. Unschuldige seien verletzt und getötet worden. „Unsere Gedanken sind bei den Angehörigen der Opfer“, so Scholz. Es sei wichtig, „dass dieser Vorfall sehr genau aufgeklärt wird“. (DT/jra)

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