Wenn es um Krieg und Frieden, um diplomatische Lösungen und die Vermeidung militärischer Eskalationen ging, waren die Päpste oft einsame Rufer in der Wüste. Man denke an Benedikt XV. im Ersten Weltkrieg oder die dramatischen Appelle von Johannes Paul II. in Richtung USA, sowohl den ersten wie den zweiten Krieg gegen Saddam Hussein nicht zu führen. Aber noch nie ist eine päpstliche Friedensinitiative so krachend und so öffentlich gescheitert wie am vergangenen Samstag in Rom.
Vorausgegangen war ein diplomatisches Fettnäpfchen, in das Papst Franziskus während des Rückflugs aus Ungarn getappt war. Da hatte er vor Journalisten von einer vatikanischen Friedensmission im Ukrainekrieg gesprochen. Im Staatssekretariat hielt man den Atem an. Denn solche Missionen erfordern immer absolute Diskretion. Und die Medien rätselten dann erst recht, als es nach den Worten des Papstes sowohl aus Kiew wie aus Moskau hieß, man wisse nichts von einer solchen Mission des Vatikans.
Der Papst soll Stellung beziehen
Aber genau um sie ging es, als der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj auf seiner Europa-Tournee am vergangenen Samstag auch vierzig Minuten mit Papst Franziskus sprach. Schon die Gastgeschenke hatten es in sich: Franziskus übergab Selenskyj eine Skulptur, die einen Palmzweig darstellte, der Präsident dem Papst eine Ikone, die auf den kugelsicheren Teil einer Armeeweste gemalt war. Dankbar ist die Ukraine für die humanitäre Hilfe des Vatikans, etwa bei der Rückführung von nach Russland verschleppten Kindern. Dass es aber ansonsten keinerlei Gemeinsamkeiten gibt, machte der ukrainische Staatschef noch am Samstagabend über Twitter deutlich: Er sei dankbar für die Anteilnahme des Papstes am Schicksal des ukrainischen Volks. „Darüber hinaus habe ich gefordert, die russischen Verbrechen in der Ukraine zu verurteilen, denn es kann keine Gleichheit zwischen dem Opfer und dem Aggressor gehen. Auch habe ich von unserer Friedens-Formel als einzig wirksamem Algorithmus gesprochen, um zu einem gerechten Frieden zu kommen.“
Wo der Bartl den Most holt
Das war die erste Ohrfeige für den Papst, der immer die „positive Neutralität“ des Vatikans im Ukraine-Krieg betont. Und damit jeder in Italien weiß, wie die Dinge stehen, ließ sich Selenskyj am Abend noch einer Sondersendung beim beliebten Talk-Format „Porta a porta“ des legendären Anchorman Bruno Vespa zuschalten, damit auch ein Millionenpublikum erfuhr, wo der Bartl den Most holt. Und jeder weiß, dass eine Erklärung dann interessant wird, wenn das Wörtchen „aber“ fällt. Und so gab der ukrainische Präsident zu Protokoll: „Für mich war es eine Ehre, Seiner Heiligkeit zu begegnen, aber er kennt meine Position: Der Krieg findet in der Ukraine statt, also muss es ein Friedensplan der Ukraine sein. Wir sind sehr daran interessiert, den Vatikan in unsere Friedens-Formel einzubeziehen.“
„Seid einfach still“
Und dann wurde Selenskyj noch deutlicher: „Bei allem Respekt für den Papst: Wir brauchen keinen Vermittler zwischen der Ukraine und einem Angreifer-Staat. Mit Putin kann man nicht verhandeln. Wir wollen einen gerechten Frieden für die Ukraine, das heißt, wir laden den Papst ein, an unserem Plan mitzuarbeiten.“ Und dieser Plan sieht nun einmal vor, Russland in der Ukraine zu besiegen. Das setzt die Fortführung der Kämpfe voraus.
Selenskyj weiß zwar, dass Papst und Vatikan nie für eine Verlängerung des Krieges plädieren würden. Aber darum ging es dem ukrainischen Staatschef auch nicht. Seine Botschaft war im Grunde: Helft uns weiter, unsere Kinder aus Russland in die Ukraine zurückzubringen. Und ansonsten seid einfach still.
Lesen Sie weitere Hintergründe zur Europatournee des ukrainischen Präsidenten in der kommenden Ausgabe der "Tagespost".