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Ein Bioethik-Gruselprogramm

Auch nach drei Jahren Ampel haben die Liberalen vom gesellschaftspolitischen Fortschritt noch nicht genug. Für Katholiken hat die FDP wenig zu bieten. Eine Analyse.
Lindner, live und in schwarz-weiß
Foto: IMAGO/Frank Ossenbrink (www.imago-images.de) | Der Gestaltungsdrang ist noch da, doch geht er in die richtige Richtung? FDP wählt man wohl eher, obwohl man katholisch ist.

Liberal wählen als Katholik? Die FDP gilt nicht eben als Herzenspartei gläubiger Christen – und hat nach drei Jahren Ampel aus konservativer Sicht wohl auch einiges an gesellschaftspolitischen Sünden (Stichwort Selbstbestimmungsgesetz) auf dem Kerbholz. Kein Wunder, dass die Partei, die freilich beileibe nicht nur ihre christlichen Wähler enttäuscht haben dürfte, in den Umfragen nur schwer vom Fleck kommt. Gibt es trotzdem Gründe, gelb zu wählen? Wir haben uns den FDP-Wahlprogrammentwurf angeschaut, der voraussichtlich am 9. Februar auf dem Sonderparteitag in Potsdam verabschiedet werden wird.

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„Alles lässt sich ändern“ lautet der Titel des Programms, die FDP will sich offenbar trotz der zehrenden Jahre innerhalb der „Fortschrittskoalition“ ihren progressiven Optimismus nicht nehmen lassen. Im Blick auf die Kirchen buchstabieren die Liberalen ihre Fortschritts-Fantasien freilich in altbekannter Weise aus: weitgehend wortgleich wie schon 2021 schlägt die FDP vor, das bestehende Staatskirchenrecht zu einem „Religionsverfassungsrecht“ weiterzuentwickeln. Darunter versteht die FDP eine „gleiche rechtliche Basis für alle Religionsgemeinschaften, die das Gleichheitsgebot und die Glaubensvielfalt, die Grundrechte sowie die Selbstbestimmung ihrer Mitglieder anerkennen“.

Ablösung der Staatsleistungen, Vorsicht vor Islamverbänden

Der bisherigen Ausgestaltung des Staatskirchenrechts, innerhalb derer momentan zwar die großen christlichen Kirchen, aber beispielsweise nicht die meisten muslimischen Gemeinschaften in den Genuss des Status „Körperschaft öffentlichen Rechts“ kommen, der etwa die Einziehung von Kirchensteuern ermöglicht, wird immer wieder einmal eine mangelnde Gleichbehandlung angelastet; eine Deutung, die auch der FDP-Passus nahelegt. Irgendwie geartete positive Bezüge zur christlichen Prägung des Landes fehlen im FDP-Programm. Nicht unerwähnt blieben soll aber, dass die noch 2021 vorgetragene Forderung nach der Abschaffung von „Tanzverboten und ähnlichen Einschränkungen“ an stillen Feiertagen im aktuellen Programm fehlt.

Gegenüber dem islamischen Einfluss sind die Liberalen übrigens explizit kritisch: es müsse klargestellt werden, welche Islamverbände Partner des deutschen Staates sein könnten, und welche nicht; der islamische Religionsunterricht müsse „frei von Einflüssen islamistischer oder aus dem Ausland gesteuerter Organisationen angeboten werden“.
Wieder ins Programm gefunden haben auch die „Staatsleistungen“ an die Kirchen: Bund und Länder müssten dem Verfassungsauftrag nachkommen, diese abzulösen, vermerkt das Papier – freilich auch keine Forderung, die erst seit gestern erhoben wird. Der Enthusiasmus seitens der Bundesländer war angesichts der zu erwartenden Ablösungszahlungen in der Vergangenheit begrenzt.

Embryonenspende, Leihmutterschaft, Scheidung per Videokonferenz

Interessanter für gesellschaftspolitisch interessierte Christen dürften daher die Vorstellungen der FDP zu familien- und identitätspolitischen sowie bioethischen Fragestellungen sein, die im Wahlprogramm eng verquickt werden. Hier knüpfen die Liberalen zu guten Teilen an ihren „Erfolgen“ der zu Ende gehenden Legislaturperiode, aber auch an den unvollendet gebliebenen Ampelvorhaben an. Schon unter der Überschrift „Für eine tolerante und offene Gesellschaft“ versprechen die Liberalen, den von der Ampel ins Werk gesetzten „Aktionsplan Queer Leben“ umzusetzen. Viele der darin enthaltenen Vorhaben werden aber auch explizit nochmal im Wahlprogramm vorgestellt, etwa das Vorhaben, Artikel 3 des Grundgesetzes (Gleichberechtigung) um das Kriterium „sexuelle Identität“ zu erweitern.

Des weiteren soll ein „modernes Familienrecht (...) den heute vielfältigen Familienkonstellationen gerecht werden, etwa indem wir Elternschaftsvereinbarungen gerade in Regenbogenfamilien vor der Empfängnis ermöglichen, das Abstammungsrecht modernisieren, auch unverheirateten Paaren Adoptionen erlauben und die Verantwortungsgemeinschaft gesetzlich verankern.“ Verantwortung soll aber auch leichter wieder abgegeben werden können, denn: „Gleichermaßen wollen wir einvernehmliche Scheidungen beschleunigen und Scheidungstermine auch per gerichtlicher Videokonferenz erlauben.“

Elternschaft in Regenbogenfamilien, das will die FDP auch durch eine flankierende Liberalisierung der Fortpflanzungsmedizin erreichen. Dafür soll ein „modernes Fortpflanzungsmedizingesetz“ ins Werk gesetzt werden, das die Legalisierung der Eizellspende ebenso beinhaltet wie „die Klarstellung, dass die Embryonenspende zulässig ist.“ Damit aber nicht genug: „Wir wollen außerdem die nicht-kommerzielle Leihmutterschaft ermöglichen mit einem klaren Rechtsrahmen und eine bessere finanzielle Förderung von Kinderwunschbehandlungen, unabhängig von Familienstand oder sexueller Orientierung.“

Hebammen sollen bei der Abtreibung helfen

Zwar hat sich die FDP in der laufenden Diskussion um eine §218-Reform zurückhaltender gezeigt als SPD und Grüne, doch wollen auch die Liberalen Abtreibung erleichtern. So heißt es in dem Programm, ungewollt Schwangeren wolle man „bestmöglich helfen“ und die angeblich „unzureichende Versorgungslage verbessern.“ Außerdem stellt sich die FDP die Übernahme der Abtreibungskosten für alle Frauen und eine „bessere“ Verfügbarkeit von medikamentösen Abtreibungsmethoden vor. Die Schwangeren sollen bei deren Verwendung nach dem Willen der Liberalen von „medizinischem Personal und Hebammen begleitet werden können“. Die momentan noch in der Luft hängende §218-Reform will die FDP in der nächsten Legislaturperiode „im Wege von sog. fraktionsübergreifenden Gruppenanträgen“ mit „Gewissensfreiheit“ im Bundestag beraten, was insofern paradox ist, als dies genau dem derzeitigen Vorgehen der Reformwilligen entspricht.

Dafür spricht sich das Wahlprogramm für einen gestaffelten Mutterschutz bei Totgeburten vor der 24. Schwangerschaftswoche ein, der allerdings wohl sowieso noch in dieser Legislaturperiode beschlossen werden wird. Auch die weiteren Ausführungen zum Mutterschutz machen deutlich, dass sich der Staat aus FDP-Sicht bedingungslos der individuellen Schwangerenperspektive unterzuordnen und dabei jegliche Hürden für die Entfaltung ökonomischer Aktivität zu vermeiden hat; Lebens- oder Kinderschutzgesichtspunkte stehen den Liberalen fern. So setze man sich auch für einen „flexiblen und freiwilligen Mutterschutz für selbstständige Frauen ein“ – denn eine Schwangerschaft solle nicht „zum Hindernis oder Hemmnis“ für eine Gründung werden. Logisch, dass auch der Ausbau von Betriebskindergärten unterstützt und der steuerliche Abzug von Kinderbetreuungskosten verbessert werden soll.

Eher dystopisch sind aus christlicher Sicht auch die Einlassungen der FDP zum Lebensende: „Wir stehen fest zum Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben“, heißt es da, dazu gehöre auch, „Sterbehilfe rechtssicher in Anspruch zu nehmen.“ Fast makaber wirkt dabei der nächste Satz: „Zugleich muss der Staat jedem, der Suizidgedanken hat, die helfende Hand reichen“. Die Aufklärung folgt zum Glück postwendend: „Die Suizidprävention wollen wir deshalb spürbar ausbauen.“ Die Organspendezahlen wolle man steigern, dabei aber – immerhin – „gleichzeitig die selbstbestimmte Entscheidung des Einzelnen wahren“. Und noch ein letztes Schmankerl haben die bioethisch von jeglichen Bedenken befreiten Liberalen in Ihrem Programm untergebracht: Sie wollen „den hinderlichen Rechtsrahmen für Gentechnologie reformieren und die Stammzellenforschung stärken“.

Einziger Lichtblick für klassisch liberal denkende Katholiken dürfte das Bekenntnis zur Presse- und Meinungsfreiheit sein, welches es immerhin auch noch in das Programm geschafft hat. Diese stünde nämlich „von innen und außen zunehmend unter Druck“ und müsse geschützt werden. Unter dem Strich bleibt jedoch festzuhalten: Wer die Liberalen wählt, dürfte dies schwerlich mit genuin christlichen Themen begründen können.

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