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Die Wut auf Patriarch Kyrill wächst

Russisch-Orthodoxe Laien appellieren an ihr Oberhaupt. Bischöfe in der Ukraine streichen Kyrill aus dem Hochgebet. Kritik an Moskau kommt aus vielen Kirchen.
Russisch-Orthodoxe Laien appellieren an ihr Oberhaupt
Foto: Corinne Simon (KNA) | Das Unverständnis für die Weigerung des russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill, sich von dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und Putin zu distanzieren, wächst stetig.

In der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats wächst die Distanz zu Patriarch Kyrill. Mindestens zwölf Bischöfe haben ihre Priester angewiesen, den Patriarchen nicht mehr im Hochgebet zu nennen, was nach orthodoxer Auffassung der Aufkündigung der kirchlichen Gemeinschaft gleichkommt. Die russisch-orthodoxe Gemeinde in Amsterdam folgt diesem Beispiel und solidarisiert sich mit „dem orthodoxen Klerus der Ukraine, der in wachsender Zahl aufhört, des Patriarchen Kyrill zu gedenken“. Zuletzt hatte Kyrill in seiner Sonntagspredigt gegen jene polemisiert, „die zu den Waffen greifen gegen das heilige Russland“.

Der Metropolit von Ternopil in der West-Ukraine, Serhiy Hensytsky, gab am Montag aus Protest gegen die russische Invasion den „Orden der Völkerfreundschaft“ zurück, den ihm Präsident Putin 2013 verliehen hatte. Er lehne diese Auszeichnung heute ab, weil Putin „den Frieden zwischen den Nationen gebrochen und einen Krieg gegen unser Mutterland begonnen hat“, so der dem Moskauer Patriarchat zugehörende Bischof. Nach ukrainischen Angaben hat die russische Armee allein am Montag mindestens vier orthodoxe Kirche in der Ukraine beschossen und zerstört.

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Kyrill soll die Aggressoren verurteilen

Zahlreiche Laienvertreter der russisch-orthodoxen Kirche forderten Patriarch Kyrill am Montag dazu auf, den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine deutlich zu verurteilen. In einem offenen Brief, den auch der estnische Komponist Arvo Pärt unterzeichnete, appellieren sie an das Oberhaupt ihrer Kirche, alle Gläubigen der russisch-orthodoxen Kirche dazu aufzurufen, nicht nur für den Frieden zu beten, sondern „aktive Maßnahmen zu ergreifen, um den Frieden in jeder erdenklichen Weise wiederherzustellen: die Wahrheit zu sagen, das Böse offenzulegen und Gerechtigkeit zu suchen“. Kyrill solle sich in einem Schreiben an die gesamte russisch-orthodoxe Kirche wenden und öffentlich diejenigen verurteilen, die das Blutvergießen unterstützten.

Zudem fordern die Laien den Patriarchen auf, Russlands Führung um „ein sofortiges Ende des Blutvergießens“ in der Ukraine zu bitten und die russischen Truppen aus dem Land abzuziehen. Als Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche sei Kyrill dazu berufen, die „Herde von Millionen von Gläubigen“ zu vertreten. Daher sei es auch seine Aufgabe, den russischen Verantwortlichen die Meinung der Gläubigen zu übermitteln. „Wir erwarten, dass Sie Ihrer Stimme Gehör verschaffen und sich persönlich an Präsident Wladimir Putin, die Regierung und das Parlament der Russischen Föderation mit der Bitte wenden, diesen Bruderkieg zu beenden“, heißt es wörtlich. Zusätzlich müsse Kyrill „Worte des Trosts“ an das ukrainische Volk richten und ihnen versichern, dass er alles in seiner Macht Stehende unternehme, um Frieden zu schaffen.

Kirchliche Komplizenschaft mit Putin

Vertreter der georgischen und der rumänischen orthodoxen Kirchen übten deutliche Kritik an Kyrill. Ein Sprecher des Bukarester Patriarchats warf dem Moskauer Patriarchat direkt Komplizenschaftmit Putin und „perfide Propaganda“ vor.

Der Präsident der „Konferenz Europäischer Kirchen“, Christian Krieger, forderte Kyrill in einem Schreiben auf, „den Wert aller Menschenleben zu bekräftigten, einschließlich des Lebens ukrainischer Bürger, die angegriffen werden“. Wörtlich schreibt Krieger an Kyrill: „Ich bin niedergeschlagen angesichts Ihres beängstigenden Schweigens über den unprovozierten Krieg, den Ihr Land einem anderen Land erklärt hat, in dem Millionen von Christen leben, einschließlich orthodoxer Christen, die zu Ihrer Herde gehören.“ Und weiter: „Religiöse und politische Führungspersönlichkeiten auf der ganzen Welt sowie die Gläubigen verschiedener Kirchen warten darauf, dass Sie die Aggression anerkennen und die Führung Ihres Landes auffordern, den Krieg zu beenden und auf den Weg des diplomatischen Dialogs und der internationalen Ordnung zurückzukehren.“ DT/mlu/sba

Lesen Sie mehr Hintergründe und Analysen zum Krieg gegen die Ukraine am Donnerstag in Ihrer „Tagespost“.

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