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Die Ukrainer brauchen eine starke NATO

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bereitet das westliche Verteidigungsbündnis auf das drohende Comeback Donald Trumps vor.
75 Jahre Nato
Foto: IMAGO/Michael Bihlmayer (www.imago-images.de) | Das Jubiläum ist sicher ein Grund zum Feiern, doch auch der kritische Blick in die Zukunft des Bündnisses ist nötig.

Spätestens seit der großen Invasion Russlands in der Ukraine ist das dumme Gerede von Donald Trump und Emmanuel Macron, die NATO sei „obsolet“ beziehungsweise „hirntot“, widerlegt. Was die Polen, Esten, Letten und Litauer immer schon wussten, ist heute Allgemeinwissen in Europa: Die NATO ist der entscheidende Schutzschild angesichts der imperialistisch gesinnten Führung im Kreml. Wladimir Putin attackiert NATO-Staaten zwar mit Fluten von Desinformation, mit Spionage und Cyberangriffen, aber eben nicht militärisch.

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Doch so notwendig die NATO, die in diesen Tagen ihren 75. Geburtstag feiert, für Europas Sicherheit ist, so bedroht ist sie in ihrer Funktionsfähigkeit. Das drohende Comeback von Donald Trump und die irrlichternde Russland-Politik von NATO-Staaten wie Ungarn und der Slowakei werfen ernste Fragen auf. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, der Trump bereits gut kennt und den damaligen US-Präsidenten sicherheitspolitisch einst unfallfrei gesteuert hat, ist deshalb nun strategisch vorgeprescht.

Ausbildung und Finanzhilfe

Der Norweger Stoltenberg schlägt vor, die NATO solle die Koordinierung der Militärhilfe für die Ukraine wie auch die Ausbildung der ukrainischen Soldaten im Ausland übernehmen. Und er regt einen Unterstützungs-Fonds für die Ukraine im Umfang von 100 Milliarden Euro binnen fünf Jahren an. Gerade weil der NATO-Generalsekretär die USA und ihre möglichen künftigen Präsidenten kennt, will er die militärische Unterstützung für die Ukraine internationalisieren. Sollte er mit seinen Ideen durchkommen, wäre das militärische Überleben der Ukraine nicht mehr völlig von den USA abhängig. Ein Ausfall Washingtons wäre dann immer noch extrem schmerzlich, aber nicht mehr das Ende.

NATO-Beitritt der Ukraine in Sicht?

Ob jedoch Stoltenberg seine Ideen umsetzen kann, ist fraglich: Mindestens die Regierungen in Budapest und Bratislava wollen da nicht mitspielen. Auch steht nicht nur in der EU und in den USA heuer ein Führungswechsel an, sondern auch in der NATO. Im Juli sollen hier die Weichen für die Stoltenberg-Nachfolge gestellt werden, und weil es mindestens zwei Kandidaten (den Niederländer Mark Rutte und den Rumänen Klaus Johannis) gibt, sind neue Spannungen innerhalb der Allianz zu erwarten.

Klar ist jedenfalls: Wenn Stoltenberg jetzt sagt, die Frage sei nur, wann die Ukraine der NATO beitreten wird, aber nicht ob, dann greift er sehr weit über seine eigene Amtszeit hinaus. Ob da auch ein schlechtes Gewissen mitschwingt, weiß er nur selbst – jedenfalls aber das Wissen darum, dass die Ukraine nicht seit 25 Monaten Kriegsgebiet wäre, wenn die NATO schon 2008 die ukrainischen Bitten um Aufnahme erhört hätte.

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Stephan Baier Donald Trump Emmanuel Macron Mark Rutte Russische Regierung Wladimir Wladimirowitsch Putin

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