Die Zahlen sind eindeutig: Mit 62 Prozent haben die CDU-Mitglieder für Friedrich Merz als neuen CDU-Parteivorsitzenden gestimmt. Dazu kommt: Gut zwei Drittel der rund 400.000 Mitglieder haben ihr Votum abgegeben. Das Stimmungsbild der Basis ist damit klar. Und sie kümmert ganz offenbar nicht, was von Kritikern immer am Profil von Merz bemängelt wird: zu konservativ, zu wirtschaftsliberal. Genau das will eben die Basis, weil für sie diese Grundhaltung klassischer CDU-Politik entspricht.
Viel Beinfreiheit für Merz
Nachdenklich müsste spätestens jetzt aber der Funktionärsapparat der Partei werden: Wieso haben wir eigentlich in der Vergangenheit – es war ja schon die dritte Kandidatur von Merz – mehr diesen Kritikern geglaubt, die allesamt keine CDU-Stammwähler sind, als auch schon damals dem vernehmbaren Willen der Basis zu folgen? Ob das Unions-Establishment jetzt die Kraft zu so einer Selbstkritik aufbringen wird? Allerdings scheint zumindest das klar: Auch wenn das Mitgliedervotum noch durch den Bundesparteitag bestätigt werden muss, Merz wird gewählt werden. Alles andere wäre politischer Selbstmord.
Der Rückenwind von der Basis verschafft Merz viel Beinfreiheit. Die muss er sofort nutzen, indem er möglichst noch vor seiner offiziellen Wahl inhaltliche Pflöcke einschlägt. Merz muss wissen: Er hat diesen großen Sieg errungen, nicht obwohl er nicht zum Parteiestablishment gehört, sondern weil er als Außenseiter angetreten ist. Er muss der Sogwirkung der Gremien widerstehen, darf nicht plötzlich auf Harmonie umschalten. Die Sympathie des Establishments muss er nicht erobern, er muss sein Bündnis mit der Basis weiter ausbauen. Er darf nicht nun in das Raumschiff Berlin einsteigen und abheben. Merz braucht die Bodenhaftung zur Basis, wenn seine Amtszeit erfolgreich sein soll.
Merz braucht das Parlament
Jetzt muss er klären: Wer ist das Gesicht der Opposition in der Öffentlichkeit? Über kurz oder lang muss Merz auch nach dem Fraktionsvorsitz im Bundestag greifen. Ralph Brinkhaus hat zwar bei seinem letzten Auftritt im Bundestag unter Beweis gestellt, dass er Attacke kann. Aber Merz braucht das Parlament, um die Union als Opposition gegen die Ampel zu formieren. Und da kann er auf Dauer nicht als einfacher Abgeordneter agieren, der sich im Zweifel einer Fraktionsführung unterzuordnen hätte. Jetzt im Moment seines Erfolges verfügt Merz über die Autorität, sich hier durchzusetzen. Wenn er denn will. Er muss sich bald entscheiden, denn die Euphorie des Sieges flaut schnell ab.
Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.