Berlin

"Das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer verteidigen“

400 Rekrutinnen und Rekruten legen in Berlin im Gedenken an den Deutschen Wider-stand vom 20. Juli 1944 ein feierliches Gelöbnis ab.
Gedenken an Widerstand im Nationalsozialismus - Gelöbnis
Foto: Soeren Stache (dpa) | Verteidigungsministerin Christine Lambrecht schreitet im Rahmen des Gedenkens an den 20. Juli 1944 während des feierlichen Gelöbnisses der Soldaten auf dem Paradeplatz im Bendlerblock neben Bundestagspräsidentin ...

„Ich schwöre, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen, so wahr mir Gott helfe“. Die Eidesformel hallte am Mittwochabend, 20. Juli 2022 über den Paradeplatz des Verteidigungsministeriums Berlin an der Stauffenbergstraße. Es ließ sich nicht ausmachen, ob Einzelne der neuen 400 Rekrutinnen und Rekruten der Bundeswehr den Bezug auf Gott nicht mitgesprochen haben. Erlaubt ist es. Bei dem feierlichen Appell zum Gelöbnis am 20. Juli zeigt sich alljährlich, die deutsche Armee ist ein fester Bestandteil der deutschen Demokratie. Ihre Bedeutung hat mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine noch zu genommen. Die Reden der Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, die hier erstmalig sprach und der Verteidigungsministerin Christine Lambrecht unterstrichen es.

Das Gewissen steht als Instanz über allen Befehlen

Lambrecht sagte: „Die Folgen des Attentats erschüttern uns bis heute.“ Die Attentäter und ihre Helfer seien in der Folge fast alle ermordet worden. Doch habe beim Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 das eigene Gewissen über dem Gehorsam der Offiziere gestanden. Sie hätten das moralisch Gebotene getan und das verdiene Respekt, weil den meisten Menschen damals eine solche Umkehr nicht gelungen sei. Heute gelte für die Soldatinnen und Soldaten: Das eigene Gewissen als Instanz, stehe über allen Befehlen. Nie wieder dürften Soldaten vor dem Dilemma stehen, ihren Eid brechen und Befehle missachten zu müssen, um das Richtige zu tun. „Deutsche Soldatinnen und Soldaten haben heute einen Kompass: Das Gewissen steht über dem Gehorsam.“ Das sei das direkte Erbe des 20. Juli, welches es zu bewahren gelte und das heutige Gelöbnis mittrage. Sie dankte für den Dienst an Deutschland und wünschte Erfolg, Erfüllung und viel Soldatenglück.

Bereit zur Verteidigung der freiheitlichen Gesellschaft

Die Präsidentin des Deutschen Bundestages, Bärbel Bas, die im Handbuch des Deutschen Bundestages übrigens keine Angabe zu ihrer Konfession macht, gestand für die deutsche Gesellschaft ein, es sei in der Vergangenheit zu sehr an der Ausstattung der Bundeswehr gespart worden. Jahrelang sei auf Abrüstung gesetzt worden, um den Frieden zu stärken. „Aber zur Wahrheit gehört auch: Wir haben uns nach den deutschen Verbrechen des Zweiten Weltkriegs mit allem Militärischen schwergetan“, bekannte Bas. 

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Das heutige Gelöbnis bekomme für jede Rekrutin und jeden Rekruten große Tragweite, weil sie wüssten, dass in der Ukraine Soldatinnen und Soldaten ihr Leben für ihre Heimat einsetzten. „Und Sie wissen, dass der Verteidigungsfall auch für Deutschland tatsächlich eintreten kann.“ Der Eid zeige ein überragendes Verantwortungsbewusstsein, Stärke und Mut und die Bereitschaft die freiheitliche Gesellschaft hier zu verteidigen. 

Abschließend appellierte die Präsidentin: „Bitte sprechen Sie Ihr Gelöbnis auch in dem Bewusstsein, dass der Deutsche Bundestag und die deutsche Bevölkerung hinter Ihnen stehen.“

Mit der alljährlichen Zeremonie zum Jahrestag des Attentats auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 unterstreicht die Bundeswehr ihr Traditionsverständnis und setzt sich klar von der Wehrmacht des Nationalsozialismus ab. Das Gelöbnis bildet die Grundlage der Konzeption der Inneren Führung. Soldat und Soldatin folgen einem gewissensgeleiteten Gehorsam und bleiben dem Leitbild vom „Staatsbürger in Uniform“ verpflichtet. 

Am 20. Juli 1944 hatte Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg – Zeit seines Lebens ein gläubiger Katholik - im Führerhauptquartier auf der Wolfsschanze/Ostpreußen ein Attentat mit einer Sprengladung auf Adolf Hitler verübt, bei dem dieser leicht verletzt wurde, andere Teilnehmer der Besprechung aber zu Tode kamen. Die Machtübernahme der Verschwörer in Berlin scheiterte auf tragische Weise, so dass Stauffenberg noch in der Nacht im Hof des Bendlerblocks hingerichtet wurde. 

Rückläufige Zahl bei den Rekruten

Die rund 400 vereidigte Rekrutinnen und Rekruten zeigen aber zugleich, dass es um den Nachwuchs in der Truppe nicht gut bestellt ist: Insgesamt leisten 182.826 Soldatinnen und Soldaten Dienst. Die Zahl ist rückläufig und der niedrigste Stand seit Oktober 2019. Schon seit drei Jahren kann kein deutlicher Aufwuchs verzeichnet werden, obwohl mehr Berufssoldaten gezählt werden und eine Sollzahl von 200.000 vorgegeben ist. Gestiegen ist die Zahl der Freiwillig Wehrdienstleistenden mit 9.059 gegen 7.761. Auch der Anteil der Frauen stieg leicht auf 13 Prozent. 

Die Kirchenmitgliedschaft der Bundeswehrangehörigen in der Truppe lebt womöglich von einer Besonderheit. Unter der Berücksichtigung, dass ein ganzer Teil der Soldatinnen und Soldaten aus dem Osten Deutschlands kirchlich nicht sozialisiert wurden, dann gehören doch laut Zahlen aus den Vorjahren rund 90.000, also 50 Prozent aller Dienstleistenden einer Kirche an. Der Evangelische Militärbischof nannte kürzlich die Zahl von 55.000 evangelischer Konfession. Katholischerseits gibt es keine Angabe. Für die recht stabile Bindung wird kirchlicherseits immer betont, der jeweilige Geistliche sei den Soldaten und Soldatinnen meist vertraut, weil die Militärseelsorge in jeder Kaserne, aber auch in den Auslandseinsätzen und anerkannten Einsätzen präsent und erreichbar sei. Ein Fingerzeig, der womöglich auf die Kirchengemeinden vor Ort, aber zugleich auf die Verantwortung der Bistümer deutet.

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