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Bundeswehr-Soldaten sind in Rukla in Litauen im Einsatz

An der Ostflanke der NATO: 1.500 Bundeswehr-Soldaten sind in Rukla in Litauen im Einsatz. Ein katholischer Militärseelsorger steht ihnen zur Seite. Ein Einblick in den Truppenalltag.
Außenministerin Baerbock besucht Litauen
Foto: Michael Kappeler (dpa) | Bundesaußenministerin Annalena Baerbock steigt bei ihrem Besuch der Nato-Einsatzgruppe „Enhanced Forward Presence“ in der letzten Woche aus einem Sanitätsfahrzeug. Sie wird begrüßt von Oberstleutant Daniel Andrä.

Militärdekan Stephan Lorek versieht seinen Dienst normalerweise in Neubrandenburg in Mecklenburg-Vorpommern. Jetzt ist der Militärpfarrer fast drei Monate im Dienst an einer ungewöhnlichen „Front“ in Litauen. Er begleitet etwa 1.500 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr bei ihrem Einsatz in Rukla, einer Stadt 100 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt Vilnius. Eine sogenannte „Einsatzgleiche Verpflichtung“ im Rahmen der NATO, die keiner Mandatierung durch den Deutschen Bundestag bedarf. An der NATO-Ostflanke zeigen die NATO-Partner, dass die Battlegroup kein Papiertiger ist. Das Motto heißt: Abschreckung – aber keine Konfrontation. Um die Vereinbarungen mit Russland einzuhalten, rotieren die von sieben Nationen gestellten Truppen alle sechs Monate. Zurzeit hat Deutschland die militärische Führung inne. Kommandeur der Enhanced Forward Presence Battlegroup Litauen ist seit Februar 2022 Oberstleutnant Daniel Andrä.

"Seelsorge am scharfen Ende"

Seit 2017 werden Soldaten dort auch seelsorgerlich begleitet, zuerst nur sporadisch, mittlerweile aber durch ständige Präsenz eines katholischen oder evangelischen Geistlichen. Oft heißt es, das sei „Seelsorge am scharfen Ende“. Und tatsächlich erfahren die Soldaten da, wie ein Gefecht ablaufen kann und welche tödliche Wirkung Waffen haben können.

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Lorek hat seine Arbeit unter Corona-Bedingungen begonnen: Mit Dienstbeginn Ende Februar brachten bis in den April Pandemie-Auflagen seine Tätigkeiten fast zum Erliegen: Hygienevorschriften, getrennte Essenszeiten, Kohortenbildung in den Unterkünften und Maskenpflicht. Corona-Infizierte wurden in einer Außenstelle isoliert untergebracht. Aber die tägliche Präsenz der Seelsorge sei natürlich weitergegangen, sagt der katholische Militärpfarrer, der von einem Einsatzsoldaten sehr gute Unterstützung erhält. „Mir wird zwar nicht die Bude eingerannt., aber wir sind ansprechbar und relativ bekannt.“

Passend zum Karfreitag wurde ein Kreuz der internationalen Battlegroup auf dem „Berg der Kreuze“, dem bekannten litauischen Wallfahrtsort, aufgestellt und nach einleitenden Worten des Kommandeurs durch den niederländischen und deutschen Seelsorger gesegnet. Dieser Kreuze-Ort wechselte im Laufe der Jahrhunderte seinen Sinngehalt. Aus einem Ort, wo man der Toten und Vermissten von Schlachten gedachte, wurde in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein Ort, der den Ruf und Willen nach Freiheit gegen eine sowjetische Besatzung zum Ausdruck brachte und deshalb auch von den Kommunisten dreimal wegplaniert wurde. Nichtsdestotrotz standen am Folgetag schon wieder die ersten Kreuze da. Heute ist der „Berg der Kreuze“ neben einem religiösen Ort auch eine touristische Attraktion für Besucher aus dem In- und Ausland.

"Da bricht die Kirche nicht auseinander"

Im dicht beim „Berg der Kreuze“ gelegenen Franziskanerkloster wurden die Angehörigen des Kontingentes durch einen Franziskaner, Pater Severin, über die Geschichte des Ortes und des relativ jungen Klosters unterrichtet; daran schloss sich eine dem Tag und Ort entsprechende Andacht an, welche die Seelsorger gestalteten.

Die Ostergottesdienste habe er dann wieder am Standort in Rukla zelebriert. Als ein schönes und bereicherndes Erleben, beschreibt Lorek das. Am Ostersonntag feierten drei Seelsorger in englischer, deutscher, niederländischer, tschechischer und lateinischer Sprache das Fest, das mit dem Teilen eines gesegneten Osterkuchens endete.

„Da bricht die Kirche nicht auseinander“, sagt der Militärdekan zur Beteiligung.  Die „Little Church“ besteht aus Containern, in denen jeder vor dem Altar Ruhe finden kann. Unruhe hatte hingegen ausgelöst, als die Politik die Aufstockung der Anzahl von Soldaten an der NATO-Ostflanke beschloss. Bundesministerin für Verteidigung Christine Lambrecht kam zu ihrer ersten Einsatzreise demonstrativ hier zum Truppenbesuch und tauschte sich mit den Soldaten aus. Doch mussten für 350 zusätzliche Einsatzsoldaten neue Unterkünfte bereitgestellt werden. In der Kaserne der litauischen Streitkräfte gelang das nur durch die Aufstellung weiterer Container.

Politischer Hintergrund für den Einsatz der Bundeswehr in Litauen ist: Russland hat durch die Annexion der Krim und jüngst den Angriffskrieg auf die Ukraine das Völkerrecht verletzt. Die NATO einigte sich deshalb auf die Aufstellung einer „Vornepräsenz“ und die Verlegung einer schnell verlegbaren Eingreiftruppe in die drei baltischen Staaten sowie nach Polen.

Sicherheit für den baltischen Luftraum

So proben die multinationalen Militärs auf einem sehr großen Truppenübungsplatz – auch die Panzergrenadierbrigade 41 „Vorpommern“, die Lorek in Neubrandenburg betreut – unterschiedliche Einsatzszenarien und demonstrieren vor allem, dass die Alliierten zusammenhalten. Mit schwerem Gerät, mit Panzern und geschützten Fahrzeugen und Artillerie.

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Die eFP Battlegroup Litauen erfuhr zahlreiche Verstärkungen, zuletzt durch die Ankunft leichter Flugabwehrraketenkräfte aus Norddeutschland.  Zusammen mit den schon seit 2004 in der Region stationierten NATO-Kräften des Air Policing Baltikum wird damit allen drei baltischen Staaten, Estland, Lettland und Litauen, die Sicherheit gegeben, dass ihr Luftraum überwacht und ihr Territorium gesichert wird. Denn alle drei Länder verfügen nicht über die dazu nötigen militärischen Mittel.

Im Einsatzführungskommando in Schwielowsee bei Potsdam zeigt sich gegenüber dieser Zeitung der Sprecher für die Mission enhanced Forward Presence, Oberstleutnant Benedikt Hoff, von der Demonstration militärischer Stärke überzeugt. Die multinationale Battlegroup besteht aus drei Kampfkompanien mit Unterstützungskräften wie Pionier-, Sanitäts- und Logistikeinheiten. Sieben europäische Nationen beteiligen sich daran: Belgien und Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Island, Tschechien und Deutschland.

Bei den Seelsorgern finden die Soldaten Rückhalt

Hoff hat eine klare Meinung zur Seelsorge in der Bundeswehr, in der sich eine jüdische Seelsorge im Aufbau befindet: Für die meisten Soldaten oder die Soldatinnen sei geistliche Kraft und Halt von Wichtigkeit. Eine Klammer biete sich auch zur internationalen Seelsorge.

„Die Seelsorge gibt Soldaten Rückhalt, Struktur und die Möglichkeit, sich außerhalb militärischer Strukturen jemandem anzuvertrauen, wenn es Probleme gibt.“ Benedikt Hoff erinnert sich zurück an seinen letzten Einsatz in Litauen: „Ein Weihnachtsgottesdienst war für die Allermeisten doch von großer Wichtigkeit. Ein Stück Heimat im Einsatz.“

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