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Auf dem Weg in die ewige Wohnung

Pater Christoph Kreitmeir begleitet seit Jahren Sterbende im Krankenhaus und spricht über Gottvertrauen, Loslassen und die Kunst, gut zu leben und zu sterben.
Landschaft, Feldweg, Felder, Nebel, Sonnenaufgang
Foto: IMAGO/imageBROKER/Raimund Linke (www.imago-images.de) | Die Vorbereitung auf Sterben und Tod kann man nicht früh genug beginnen. Erst daraus erwächst die richtige Kunst zu leben. Krankheiten im eigenen Leben gilt es dabei als Vorboten des Sterbens anzunehmen.

Inzwischen hat er gut 2 200 Menschen beim Sterben begleitet. Manche Situationen bleiben dem Franziskanerpater Christoph Kreitmeir besonders in Erinnerung. Erst vor Kurzem wurde er in das Krankenzimmer eines 95-jährigen Mannes gerufen. „Hier durfte ich vor einem gläubigen Background ein gutes Sterben miterleben. Der Vater war umgeben von seiner ganzen Familie mit drei Kindern, Enkelkindern und Urenkeln und seiner 92-jährigen Frau, mit der er 70 Jahre verheiratet war.“ Das Besondere daran: Die Familie war evangelisch und nahm Pater Christoph als Vertreter seines evangelischen Kollegen mit den Worten „Wir haben nur einen Gott“ an. Während sich der Franziskaner durch den familiären Zusammenhalt, die spürbare Liebe im Raum und die gemeinsamen Gebete als beschenkt erfuhr, zeigen Rückmeldungen der Angehörigen, dass ihnen die bewusste Zeit der Verabschiedung neu die Kraft des christlichen Glaubens bewusst werden ließ.

Tief in uns schlummern viele Ängste

Seit acht Jahren ist Pater Christoph als Klinikseelsorger am viertgrößten Klinikum Bayerns in Ingolstadt tätig. Manche Abschiede sind auch für den erfahrenen Seelsorger schwer– so der Tod einer fünfzigjährigen Mutter von vier Kindern. Die krebskranke Frau erhielt vom Arzt die Prognose, sie werde nur noch ein Vierteljahr leben. Letztlich wurden es neun Monate. „Irgendwann hat sie sich hingegeben und das Lebensende angenommen“, erzählt er. Das galt aber nicht für ihre Kinder, unter denen besonders der zehnjährige Jüngste stark revoltierte. So kam der Pater auf die Idee, die alte Mutter der Kranken und die Kinder zu bitten, der Frau am Krankenbett ins Ohr zu flüstern, dass sie gehen dürfe. Einen Tag später verstarb sie, und Pater Christoph bedankte sich bei den Angehörigen für ihre Mithilfe mit den Worten „Ihr habt ihr geholfen, dass sie gehen kann, denn eine Mutter will nicht gehen.“ Ein schwerer Tod, ein schweres Sterben, fasst der Seelsorger diese Situation zusammen.

Er ist überzeugt, die Vorbereitung auf Sterben und Tod, die Ars moriendi, könne man nicht früh genug anfangen. Erst daraus erwachse die Ars vivendi: die richtige Kunst zu leben. Als erste Vorkehrung gilt es demnach, alle Krankheiten im eigenen Leben als Vorboten des Sterbens anzunehmen. André Gide (1869–1951) hat dies einmal so ausgedrückt: „Ich glaube, dass Krankheiten Schlüssel sind, die uns gewisse Tore öffnen können.“ Der französische Schriftsteller spricht sogar von einer gewissen Beschränktheit bei Menschen mit unerschütterlicher Gesundheit. Weitere konkrete Maßnahmen sind das Erstellen einer Patientenverfügung oder einer Vorsorgevollmacht, die digitale Nachlassverwaltung, das Festhalten der eigenen Bestattungswünsche und das Klären von finanziellen Fragen. Ebenso wichtig sei es, Hilfsangebote aus Medizin, Seelsorge oder Trauerbegleitung anzunehmen. „Sterben und Tod sind ein Teil des Lebens, das dürfen wir nicht verdrängen. Es wird leichter, wenn wir das Ganze aktiv angehen und uns mit den verschiedenen kleinen Schritten langsam annähern. Auch emotional müssen wir uns mit der eigenen Endlichkeit auseinandersetzen“, betont Pater Christoph.

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Denn tief in uns schlummern viele Ängste: die Angst vor dem Alleinsein, vor Kontrollverlust, vor der eigenen Endlichkeit, vor dem Unbekannten, vor Schmerz, Verfall oder die Angst, Angehörigen zur Last zu fallen. Neben verschiedenen Atemmethoden und Entspannungstechniken, Bewegung, Gesprächen mit Therapeuten und Seelsorgern oder Menschen mit einem ähnlichen Erfahrungshorizont verweist der Franziskaner darauf, dass Vertrauen und Selbstvertrauen als grundlegende Hilfe zur Bewältigung der Ängste stark zusammenhängen. „Es geht darum, dass ich lerne, mit meiner Innenwelt in Kontakt zu gehen. Ich kann der Angst die Energie nehmen, indem ich meinem Inneren begegne, meine Herzheimat suche und innere Seelenräume, Orte der Ruhe, der Heimat, des Friedens entdecke.“

Grundlegend dabei ist das Gottvertrauen: „Meiner Meinung nach hängt die große Krise unseres Glaubens damit zusammen, dass wir fast kein Gottvertrauen mehr haben. Echtes Gottvertrauen ist ein Gottvertrauen, bei dem ich davon überzeugt bin, dass hinter allem ein tieferer Sinn ist. Wer Gott vertraut, fühlt sich angenommen und geführt von einem Gott, der ihn umgibt, Obhut und Geborgenheit gibt. Echtes Gottvertrauen gibt Sicherheit und Sinn und stärkt das Selbstvertrauen.“

Jesus ist mir diesen Weg vorausgegangen

Als Gebet des Vertrauens hat Pater Christoph nach seinem Herzinfarkt das bekannte Gebet des Jesuitenpaters Rupert Mayer „Herr, wie du willst, so will ich gehen und wie du willst, soll mir geschehen, hilf deinen Willen nur verstehen“ auswendig gelernt. „Je mehr du das einübst, desto mehr wird es zu deiner inneren Einstellung. Denn Vertrauen ist das heilende Pendant zur Angst.“

Auf die Frage, worin sich ein christliches Sterben zeige, formuliert der Seelsorger: „Ich bin nicht allein. Jesus ist mir diesen Weg vorausgegangen. Er geht an meiner Seite. Er stärkt mich, er trägt mich, er begleitet mich. Er ist mein Ziel, der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ Und das sei nicht theoretisch, sondern ganz praktisch. Denn die Kirche biete mit den Sakramenten Zeichen der Nähe Gottes an, unter denen bei Sterben und Tod besonders die Krankensalbung herausrage. Im Krankenhaus macht Pater Christoph damit gute Erfahrungen; auch die Angehörigen kämen am Beispiel ihres sterbenden Vaters oder ihrer sterbenden Mutter in Schwingung mit Gott. „Die Salbung mit Öl stellt den ganzen Menschen in die Dimension des Heiles. Wir dürfen uns immer wieder die Worte von Jesus im Johannesevangelium bewusst machen, wo er sagt: Ich gehe euch voraus, um euch eine Wohnung zu bereiten.“

Pater Christoph Kreitmeir ist auch Buchautor. Seine Bücher „Welche Farbe hat der Tod?“, „Der Seele eine Heimat geben“ oder „Zuversicht in schwerer Zeit“ handeln von Leben und Tod und geben spirituelle Impulse.

Die Autorin ist Verwaltungsjuristin und freie Journalistin.

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