Freiburgs Erzbischof Stephan Burger hat sich gegen eine Änderung des 218 StGB noch vor den Neuwahlen im Februar gewandt. „Wer hier Änderungen will, muss darüber vorher eine breite gesellschaftliche Debatte führen. Das ist bislang nicht geschehen“, sagte Burger der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
„Deshalb lehne ich es entschieden ab, jetzt kurz vor den nächsten Bundestagswahlen zu versuchen, Änderungen im Eiltempo durchzusetzen“, so Burger weiter. Die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen berührten Grundfragen menschlichen Lebens, die nicht einfach im Vorübergehen erledigt werden könnten. „Auch wenn die katholische Kirche sich für einen noch weiter reichenden Lebensschutz einsetzt, bildet die geltende Gesetzeslage bislang einen für die Gesellschaft tragfähigen Kompromiss zum Schutz der Schwangeren und des vorgeburtlichen Lebens.“ Deshalb spreche er sich gegen eine Änderung aus.
Staat und Gesellschaft müssen ihrer Schutzpflicht nachkommen
Auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Limburgs Bischof Georg Bätzing, meldete sich zu Wort. Die Regelung des Schwangerschaftsabbruchs sei „ein komplexes Thema“. Dass der erst nach dem Bruch der Bundesregierung eingebrachte Gesetzentwurf zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs und der Antrag mit der Überschrift „Versorgungslage von ungewollt Schwangeren verbessern“ „nun zwischen Vertrauensfrage und Neuwahlen im Deutschen Bundestag behandelt und zum Gegenstand des Wahlkampfs gemacht werden sollen, sei dem Thema nicht angemessen“, erklärte Bätzing.
Ungewollt schwangere Frauen befänden sich in „einer sehr schwierigen Situation“. „Ihre Grundrechte sind angemessen zu wahren und sie verdienen die explizite Unterstützung von Staat und Gesellschaft durch Rat, Tat und Hilfe. Druck von außen, wirtschaftlicher Zwang oder soziale Not dürfen in einer Entscheidung für oder gegen eine Schwangerschaft nicht den Ausschlag geben. Das ungeborene Kind, das eine schwangere Frau in sich trägt, ist von diesem Konflikt existenziell betroffen. Staat und Gesellschaft müssen daher ihrer Schutzpflicht nachkommen, auf deren Wahrnehmung das Kind lebensentscheidend angewiesen ist“, so der DBK-Vorsitzende weiter.
„Problematischer verfassungsrechtlicher und ethischer Paradigmenwechsel“
„Der vorgelegte Gesetzentwurf betont zu Recht die grundrechtliche Stellung der Frau. Zu der grundrechtlichen Position des ungeborenen Lebens verhält er sich hingegen nicht ausdrücklich.“ Stattdessen führe er an, „dass es einer Neubewertung der verfassungsrechtlichen Situation bedürfe. Dabei verweist er auf bestimmte Stimmen im verfassungsrechtlichen Schrifttum und auf den Kommissionsbericht, die das vollwertige Lebensrecht des ungeborenen Kindes von Anfang an und als Träger der Menschenwürde infrage stellen.“ Den Verfassern sei „vorzuhalten, hier ihre eigene Position nicht klar zu benennen. Wird der Entwurf verabschiedet, besteht die erhebliche Gefahr, dass ein abgestuftes Lebensschutzkonzept in die Gesetzgebung Eingang findet, das auch Auswirkungen auf andere Rechtsbereiche hat. Dies wäre ein hoch problematischer verfassungsrechtlicher und ethischer Paradigmenwechsel.“
Im Ergebnis nehme der Entwurf „den Schutz des ungeborenen Lebens“ gegenüber der geltenden Regelung „deutlich zurück“. Bätzing: „Neben der Verortung außerhalb des Strafrechts darf nach dem Entwurf die Beratung, an der zu Recht festgehalten wird, nicht mehr daran orientiert sein, zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu ermutigen. Das aber war ein wesentlicher Baustein des geltenden Rechts zur Umsetzung der staatlichen Schutzpflicht, ohne dabei – so sagt es heute schon das Gesetz – belehrend oder bevormundend zu sein. Hält sich die Schwangere nach dem Entwurf nicht an die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen und verstößt beispielsweise gegen die Beratungspflicht, bleibt sie auch dann straffrei. Verstoßen Ärzte gegen ihre verfahrensrechtlichen Verpflichtungen, ist dies nur noch eine Ordnungswidrigkeit.“
Bereits die geltende Regelung setzt auch die „Letztentscheidung der Frau“
Dass die Paragrafen 218 ff. des Strafgesetzbuchs Frauen kriminalisierten und stigmatisierten, sei „ein Narrativ, das die geltende Regelung zum Schwangerschaftsabbruch verzerrend abbildet“. Bereits die geltende Regelung setze „auf die Letztentscheidung der Frau und basiert auf dem Prinzip ‚Hilfe statt Strafe‘. Sie beinhaltet keine Kriminalisierung des individuellen, beratenen Schwangerschaftsabbruchs. Die Verortung im Strafrecht dient vielmehr dazu, das Bewusstsein vom verfassungsrechtlichen Rang des Rechtsguts des ungeborenen Lebens wachzuhalten.“ Die geltende Regelung sei auch „mit den völkerrechtlichen Anforderungen zum Schutz von Selbstbestimmung und Gesundheit der Frau vereinbar.“ In Deutschland gäbe es laut Statistik prozentual weniger Abtreibungen als in anderen europäischen Ländern. Das deute darauf hin, dass „dem geltenden legislativen Schutzkonzept durchaus eine Wirkung zum Schutz des ungeborenen Lebens zukommt“. DT/reh
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