Ursula von der Leyen hat es ein zweites Mal geschafft, zur EU-Kommissionspräsidentin gekürt zu werden. Nicht mit einem fulminanten Ergebnis, wie es am Dienstag der Präsidentin des Europäischen Parlaments, Roberta Metsola, zuteilwurde, aber mit einem passablen: 56 Prozent der Europaabgeordneten votierten für sie, manche mit Bauchschmerzen, etliche eher pragmatisch denn euphorisch.
Von der Leyen kam 2019 durch eine Hinterzimmer-Intrige, angeführt von Emmanuel Macron und Viktor Orbán, gegen das Spitzenkandidaten-Modell und den damaligen Wahlsieger Manfred Weber an die EU-Spitze. Diesmal war sie selbst die EVP-Spitzenkandidatin – und das Opfer der einstigen Intrige, Manfred Weber, war souverän genug, sie vorbehaltlos zu unterstützen. Der CSU-Politiker aus Niederbayern ist als Partei- und Fraktionschef der christdemokratischen EVP zu einer Schlüsselfigur auf dem europäischen Parkett gereift. Gegen ihn kann Von der Leyen nicht regieren, ohne seine Rückendeckung auch nicht.
Versprechen und Verheißungen
Für eine Mehrheit im Europäischen Parlament reicht die Unterstützung der mandatsstärksten Fraktion alleine jedoch nicht. Und so streckte Ursula von der Leyen die Fühler nach links aus: Allen musste sie etwas anbieten, versprechen, in Aussicht stellen, den Grünen wie den Liberalen, den Sozialdemokraten und den ins Dunkelrote schimmernden Sozialisten. Da waren ganz unterschiedliche, teils widersprüchliche Verheißungen dabei, aber in einem war sich die linke Seite des Straßburger Vielvölkerparlaments einig: Sie forderte von der EU-Kommissionspräsidentin eine klare Abgrenzung nach „rechts“.
Genau hier beginnt die Bürde, mit der Ursula von der Leyen ihre zweite Amtszeit an der Spitze der EU-Kommission beginnt. Die absurdesten und verwerflichsten Wünsche von links werden auf ihr Programm projiziert, ohne dass sie vernehmbar widerstand. So fordern die „Liberalen“ von ihr, sich für ein „Recht auf Abtreibung“ in der EU-Grundrechtecharta einzusetzen. Gleichzeitig verlangt die Phalanx aus Grünen, Sozialisten und Liberalen, alles jenseits der EVP als „rechts“ konsequent auszugrenzen. Diesen Fehler muss die wiedergewählte Kommissionspräsidentin nun vermeiden, wenn sie handlungsfähig bleiben will. Denn jenseits der EVP sind nicht nur zwei nationalistische Fraktionen, die ohnehin nur Sand ins EU-Getriebe streuen wollen, sondern auch konstruktive Konservative.
Ein dreifaches Ja ist nötig
Im Wahlkampf hatte Ursula von der Leyen – von Manfred Weber gut beraten – eine klügere, bessere und zukunftsfähigere Formel als die Ausgrenzung der „Rechten“ gefunden: Sie wollte zusammenarbeiten mit allen Kräften, die für das vereinte Europa, für die Rechtsstaatlichkeit und für das Selbstbestimmungsrecht der Ukraine eintreten. Dieses dreifache „Pro“ findet sich jedoch nicht bei der kommunistischen Fraktion „The Left“, dafür aber eindeutig bei den italienischen „Fratelli d´Italia“, die der konservativen EKR angehören. Von der Leyen sollte bei ihrer Formel bleiben, statt sich von Links instrumentalisieren zu lassen.
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