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Grüne Jugend: Linksradikale Wölfe im Umweltschutz-Pelz?

Die Grünen geben sich als bürgerliche Partei. Doch wie viel linke Weltanschauung steckt in ihrer Jugendorganisation?
Vorsitzende der Grünen Jugend, Sarah-Lee Heinrich Timon Dzienus
Foto: Bodo Schackow (dpa-Zentralbild) | Die neue Vorsitzende der Grünen Jugend, Sarah-Lee Heinrich (links), sorgte für Aufregung wegen älteren, diskriminierenden Twitter-Posts. Neben ihr der 2. Vorsitzende Timon Dzienus.

"Die Grünen sind vielleicht die bürgerlichste Partei Deutschlands“. Das sagte der Parteivorsitzende der Grünen Robert Habeck in einem Podcast im Jahr 2020. Spätestens seit dem beabsichtigten Eintritt der Partei „Bündnis 90 / Die Grünen“ in die Ampel-Koalition steht außer Frage, dass die Tage der Partei als protestierende Sozial- und Ökobewegung vorbei sind. Die Grünen sind Teil der bürgerlichen Mitte und treten öffentlich moderat auf.

Deutlich radikaler und "linker" als die Mutterpartei

Doch wie steht es um die Grüne Jugend (GJ), die Jugendorganisation der Partei? Diese tritt deutlich radikaler und „linker“ auf als ihre Mutterpartei und kritisiert die bisherigen Koalitionsbeschlüsse. Der Grünen Jugend gehen die bisherigen Beschlüsse der Ampel-Parteien nicht weit genug. Viele ihrer Forderungen aus dem Wahlkampf, zum Beispiel höhere Einkommens- und Unternehmenssteuern oder das Tempolimit von 130 auf deutschen Autobahnen, kommen im Sondierungspapier nicht vor. Deshalb hat die GJ zusammen mit den Jusos, der Jugendorganisation der SPD, und der DGB-Jugend ihre Forderungen in einem Positionspapier festgehalten, berichtet die „Zeit“.

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Den Jugendorganisationen reiche es etwa nicht, den Kohleausstieg bis 2030 festzulegen. Außerdem fordern sie einen sofortigen Stopp des Baus von Autobahnen. Im Bereich Bildung wollen sie die Einführung einer Arbeitsplatzgarantie. Jeder junge Mensch soll demnach eine Ausbildungsstelle erhalten, die seinen Interessen entspricht. Das Bürgergeld, das anstelle von Hartz IV eingeführt wird, soll laut dem Positionspapier erhöht werden und sanktionsfrei ausbezahlt werden. Sarah-Lee Heinrich, die neue Vorsitzende der GJ, kritisiert in einem Interview gegenüber der „Taz“, dass das Sondierungspapier „vermögenden und sehr reichen Menschen“ zugute komme. Um die 20-Jährige Heinrich gab es in jüngster Zeit Kontroversen wegen älterer, diskriminierender Twitter-Beiträge. Der zweite neue Vorsitzende, Timon Dzienus, droht: „Wir stimmen dem Koalitionsvertrag nur zu, wenn sich für die Menschen spürbar etwas verbessert – und das Klima geschützt wird.“

Auf dem Pullover von Timon Dzienus steht „Patriarchat zerschlagen“. Er trägt ihn auf dem Foto der Homepage der Grünen Jugend. Der 25-Jährige ist eines von 16.000 Mitgliedern der Grünen Jugend. Laut dem Statistik-Portal „Statista“ sind das doppelt so viele wie noch 2018. Es ist gut möglich, dass das Wachstum mit der Beliebtheit der „Fridays for Future“-Demonstrationen, die Ende 2018 in Deutschland begannen, und der internationalen Bekanntheit von Greta Thunberg Hand in Hand geht.

Kampagnen mit Titel: „Wir sind linksextrem“

Unter seinem Foto auf der Homepage der Grünen Jugend hat der Bundessprecher „Antifaschismus“ als einen seiner Themenschwerpunkte genannt. Auch in seinem Twitter-Steckbrief steht der Hashtag „Antifa“. „Antifa“ ist die Abkürzung für die „Antifaschistische Aktion“. Auf vielen Demonstrationen ist ihr Symbol, eine rote Flagge als Zeichen des Sozialismus und eine schwarze für den autonomen Anarchismus, zu sehen. Trotzdem ist die „Antifa“ keine zentral geführte Organisation, sondern besteht aus ungefähr 100 lokalen Gruppen. Den Begriff „Antifaschismus“ bezeichnet der Verfassungsschutz in seinem Bericht von 2020 als „traditionell linksextremistisches Aktionsfeld“.

An die 47 „Antifa“ Gruppen werden von Bundes- und Landesämtern für Verfassungsschutz beobachtet und sind von ihnen als „linksextremistisch“ eingestuft, wie die „Welt“ in einer Auswertung zeigt. In den letzten Jahren sympathisierten Mitglieder der Grünen Jugend immer wieder mit linksextremistischen Gruppen. Sina Doughan, Sprecherin der GJ von 2011 bis 2013, sorgte wegen ihrer Mitgliedschaft bei dem vom Bundesamt des Verfassungsschutzes als linksextremistisch eingestuften Verein „Rote Hilfe“ für Schlagzeilen.

In ihre Zeit als Sprecherin fällt auch die gemeinsame Online-Kampagne „Ich bin linksextrem und das ist auch gut so“ der Grünen Jugend mit der Linksjugend „Solid“. Damit wollten sie eine öffentliche Debatte um den Extremismusbegriff anregen. Sie kritisierten, dass damit „Leute gebrandmarkt und bespitzelt werden“. Damit einher ging eine Kritik des Verfassungsschutzes. Diesen bezeichnete Doughan laut der Studentischen Monatszeitung „akduell“ als ein „Relikt aus dem Kalten Krieg“. Das Anliegen der Kampagne war es, den Begriff „Extremismus“ zu dekonstruieren und selber zu definieren. „Rote Hilfe“ wird auch im Verfassungsschutzbericht 2020 als linksextremistisch eingestuft.

Manche fordern, den Verfassungsschutz abzuschaffen

Im Mai 2020 wurden erneut grüne Stimmen, die die Abschaffung des Verfassungsschutzes forderten, laut. Der Anlass war, dass die Berliner Verfassungsschützer die Anti-Kohlekraft–Gruppe „Ende Gelände“ als linksextremistisch einstuften.

Darüber zeigten sich die Jugendorganisationen der Grünen, SPD und Linkspartei empört und sprachen sich für die Auflösung des Verfassungsschutzes aus, denn: „Wer rechten Terror und den Einsatz für Klimagerechtigkeit und Antifaschismus als zwei „Extreme” einer ansonsten vorbildlich gesinnten Mitte gleichsetzt, kann nicht in der Lage sein, faschistische Tendenzen angemessen zu bekämpfen“, heißt es in der gemeinsamen Stellungnahme. Die Grüne Jugend Bayern solidarisierte sich mit „Ende Gelände“, indem sie einen Post mit dem Titel „Wir sind #linksextrem“ auf ihren Sozialen Medien verbreitete.

Die Grüne Jugend antwortete nicht auf die „Tagespost“-Anfrage, ob sie sich nach wie vor als linksextrem bezeichnen und wenn ja, wie sie den Begriff definieren.
Dass die Grüne Jugend mit linken Jugendverbänden zusammenarbeitet, ist nicht außergewöhnlich. Die Homepage der Grünen Jugend bezeichnet ihre Mitglieder als „Aktivist*innen“, die „als Teil linker Bewegungen, in Bündnissen und in grünen Parteiämtern und Parlamenten in verschiedenen Rollen für die gleichen Visionen kämpfen“. Der Parteienforscher Deniz Anan bestätigt gegenüber der „Tagespost“: „Die Grüne Jugend kann, wie auch die Jugendorganisationen von SPD, LINKEN und FDP, als programmatisch radikaler und ein gutes Stück weiter links stehend als die Gesamtpartei gelten“.

Anan, der als Universitätsdozent für Politikwissenschaft an der TU München arbeitet und für die Grünen im Augsburger Stadtrat kandidiert, sieht darin allerdings keine Rechtfertigung, die Grüne Jugend „als ,linksradikal' im Sinne einer Infragestellung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ einzuschätzen. Zu der Kritik am Verfassungsschutz der Parteijugend meint Anan: „Grundlegende strukturelle Reformen der Verfassungsschutzbehörden – Aufteilung in ein geheimdienstlich arbeitendes Amt und ein wissenschaftlich beobachtend tätiges Institut - ist eine traditionelle Forderung der Grünen-Gesamtpartei“.

Grüne Jugend fordert höhere Steuern für Reiche

Ob die Mutterpartei den Forderungen ihrer Jugendorganisation nachgibt, wird sich zeigen. Deniz Anan sieht den Einfluss der Jungen Grünen bei der Partei als eher gering. „Jugendorganisationen gelten, verglichen mit anderen innerparteilichen Gruppierungen wie zum Beispiel den Parteiflügeln oder Fraktionen, als nicht besonders relevante Akteure bei Personal- und Sachentscheidungen in den Parteien“, sagt der Politikwissenschaftler gegenüber dieser Zeitung. Bei den Grünen stünden bei Personalentscheidungen vor allem die Kriterien Flügelzugehörigkeit (Reformer/Linke), Geschlecht und zunehmend auch Diversität im Mittelpunkt.

Es mag stimmen, dass die Grüne Jugend als unabhängiger Jugendverband kein großes Gewicht innerhalb der Grünen Partei hat. Fakt ist, dass die meisten Jungpolitiker, die für „Bündnis 90 / Die Grünen“ neu in den Bundestag gewählt wurden, der Grünen Jugend entspringen. Nicht umsonst hätte die Grüne Jugend bei ihrer Gründung 1994 fast „Rosa-Luxemburg-Jugend“ geheißen. Die Sozialdemokratin und Mit-Gründerin des Vorläufers der KPD war überzeugte Kommunistin und sehnte die proletarische Revolution herbei – bereits seit 1990 trägt die Parteistiftung der Linkspartei ihren Namen.

 

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