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Abtreibung in Corona-Zeiten: Lebensschützer warnen vor Dammbruch

Lebensschützer fürchten, dass die Abtreibungslobby die Corona-Krise ausnutzt, um Frauen einen noch einfacheren Zugang zu Abtreibungen zu ermöglichen. Familienministerin Giffey kündigt indes die Scheinausstellung nach Telefon- oder Onlineberatungen an.
Coronavirus: Giffey verkündet Maßnahmen bei Schwangerenberatung
Foto: Michael Kappeler (dpa) | „Wir alle stehen in der Verantwortung, dem berechtigten Schutzinteresse der Beratungsfachkräfte Rechnung zu tragen“, erklärte Familienministerin Giffey.

Lebensschützer kritisieren die aufgrund der Coronavirus-Pandemie beschlossene Ausnahmeregelung der Schwangerenkonfliktberatung. Wenn Beratungen in Zukunft online und auch telefonisch möglich seien und Beratungsscheine per E-Mail oder per Post zugestellt würden, sei ein „Dammbruch“ zu befürchten, meint Kristijan Aufiero, Vorstandsvorsitzender des Vereins „Pro Femina“, auf Anfrage dieser Zeitung. Der Abtreibungslobby wirft er vor, die gegenwärtige Krise zu missbrauchen, „um ihre Agenda durch die Hintertür durchzusetzen“. Es sei wohl kaum Zufall, so Aufiero weiter, wenn die Forderung nach einer „Ausnahmeregelung“ ausgerechnet von jenen komme, „die seit Jahren die Abschaffung der Beratungspflicht“ forderten.

"So als ob man sich ein Rezept nach Hause schicken lässt"

Auch die Vorsitzende des Bundesverbandes Lebensrecht (BVL), Alexandra Linder, kritisiert die jüngst beschlossene Ausnahmeregelung. Wenn es durch die Ausstellung eines Scheines „um Leben oder Tod“ gehe, sollte man keinesfalls auf persönliche Begegnung verzichten, erklärt Linder gegenüber der Tagespost. Frauen würde der Zugang zu Abtreibungen erleichtert und zudem suggeriert, dass es sich um eine Kleinigkeit handle, „so als ob man sich ein Rezept nach Hause schicken lässt“.

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) hatte am Mittwoch angekündigt, dass die Schwangerschaftskonfliktberatung in Zeiten der Coronavirus-Pandemie auch online und per Telefon möglich sei. Eine Beratungsbescheinigung zur Fristwahrung würde per E-Mail oder per Post versendet werden, ein persönliches Erscheinen der Schwangeren bei einer Beratungsstelle sei nicht nötig. Darauf habe sie sich mit den Gleichstellungs- und Frauenministern der Länder geeinigt, erklärte Giffey auf ihrer Facebook-Seite.

BVL-Vorsitzende Linder gibt zu bedenken, dass man zwar grundsätzlich auch per Telefon, Chat oder Videokonferenz im Schwangerschaftskonflikt gut beraten und die Frauen an Hilfestellen vor Ort vermitteln könne, „wenn man sich sehr viel Zeit für intensive Gespräche nimmt und keine Scheine ausstellt“. Jedoch sei es oft schon bei persönlicher Anwesenheit der Schwangeren schwer herauszufinden, „wo die Probleme liegen und von wem oder was die Frauen unter Druck gesetzt werden“. Man dürfe das langfristige Ziel der Abtreibungslobby nicht aus den Augen verlieren, so Linder: „Abschaffung der Beratungsregelung und ,sicherer und legaler Zugang' zu Abtreibung.“

Abtreibung ist keine lebensrettende Notfallbehandlung

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Indes sorgten jüngst auch die Forderungen von einem Netzwerk von abtreibungsbefürwortenden Ärzten und Verbänden, wie etwa Pro Familia, für Diskussionen, angesichts der Corona-Krise Wartefristen und Pflichtberatungen für Abtreibungen auszusetzen. Die Gießener Abtreibungsärztin Kristina Hänel hatte unter anderem erklärt, es könne sein, dass in der aktuellen Krisensituation Frauen wieder zu unsicheren Abtreibungsmethoden griffen, „mit der Gefahr von gesundheitlichen Schäden wie Entzündungen, Sterilität, Blutungen, bis hin zum Tod“. In Beratungsstellen, Praxen und Kliniken gebe es derzeit große Einschränkungen, bemängelte Hänel.

Diese Einschätzung weist Alexandra Linder gegenüber dieser Zeitung zurück: Es habe immer einige wenige Frauen gegeben, die unter allen Umständen abtreiben wollten und dies auch tun würden. „Da Abtreibung aber keine lebensrettende Notfallbehandlung ist und man normalerweise nicht an einer Schwangerschaft sterben muss, ist diese Argumentation vom Grundsatz her falsch“, so Linder. Man verweigere den Frauen keine lebensrettende Behandlung, „sondern die Tötung ihres Kindes, was einem rechtsstaatlichen Handeln entspricht“. Angesichts der derzeitigen Krise fordert der BVL, dass auch die freien Beratungsstellen ihre Räumlichkeiten weiter offenhalten oder wieder öffnen dürfen. Gerade jetzt bestehe die Möglichkeit, durch gute Telefon- und Online-Angebote verstärkt Beratung und Hilfe anzubieten.

Pro Femina: Vollständig internet-basierte Beratung

Familienministerin Giffey hatte ihre Bemühungen für eine Ausnahmeregelung der Konfliktberatung damit begründet, dass man angesichts des Coronavirus in der Verantwortung stehe, „dem berechtigten Schutzinteresse der Beratungsfachkräfte Rechnung zu tragen“. Gleichzeitig dürfe man schwangere Frauen in Not- und Konfliktsituationen nicht alleine lassen. Ihr Ministerium hätten in den letzten Tagen zahlreiche Anfragen von Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen und deren Trägern erreicht, „wie sie in der gegenwärtigen Situation, in der persönliche Kontakte auf ein Minimum reduziert werden sollen und müssen, eine Schwangerschaftskonfliktberatung mit einer ratsuchenden schwangeren Frau gesetzeskonform durchführen können“.

Den von Giffey angestrebten Kriterien zum Schutz der Beratungskräfte würde man bei Pro Femina schon jetzt entsprechen, wie der Vorstandsvorsitzende Aufiero erklärt. „Unsere Beratung ist zum einen vollständig Internet-basiert.“ Seit Jahren berate man fast ausschließlich schriftlich oder am Telefon. Zudem habe schon vor der Krise knapp die Hälfte der Beraterinnen im Home-Office gearbeitet. „Unsere Beratung geht ohne Einschränkungen weiter“, so Aufiero. Derzeit bearbeite man sogar „mehr Beratungsanfragen als je zuvor“. Im März hätten sich bereits mehr als 1.000 Frauen im Schwangerschaftskonflikt „digital“ an „Pro Femina“ gewandt.

DT/mlu

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