Die bildungs- und familienpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Anne König (CDU), hat sich im Streit zwischen Union und SPD über die Interpretation der im Koalitionsvertrag vereinbarten Ausweitung der Finanzierung von Abtreibungen zu Wort gemeldet. In einem groß angelegten Beitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) erteilte die Katholikin einer Ausweitung der Finanzierung von Abtreibungen durch die gesetzlichen Krankenkassen eine klare Absage.
Zum Hintergrund: Unter der Überschrift „Versorgungslage bei Schwangerschaftsabbrüchen“ heißt es auf Seite 102 des Koalitionsvertrags: „Wir wollen Frauen, die ungewollt schwanger werden, in dieser sensiblen Lage umfassend unterstützen, um das ungeborene Leben bestmöglich zu schützen. Für Frauen in Konfliktsituationen wollen wir den Zugang zu medizinisch sicherer und wohnortnaher Versorgung ermöglichen. Wir erweitern dabei die Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung über die heutigen Regelungen hinaus.“
Koalitionsvertrag steht nicht über dem Grundgesetz
Wie König schreibt, eröffne diese Formulierung „einen großen politischen Spielraum“. „Da der Koalitionsvertrag aber nicht über dem Grundgesetz steht, muss sie im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausgelegt werden.“ Und das Bundesverfassungsgericht habe „explizit festgestellt, dass bei einem rechtswidrigen Abbruch keine originären Leistungen der GKV gewährt werden dürfen“.
Bereits heute sehe „das Schwangerschaftskonfliktgesetz bei rechtswidrigen, aber straflosen Schwangerschaftsabbrüchen vor, dass eine Frau Anspruch auf Unterstützung habe, wenn ihr die Aufbringung der finanziellen Mittel für den Abbruch einer Schwangerschaft nicht zuzumuten ist“. Die Leistungen würden auf Antrag über die gesetzliche Krankenkasse gewährt, bei der die Frau gesetzlich krankenversichert ist. Die den Krankenkassen entstehenden Kosten seien von den Ländern zu erstatten. Wann einer ungewollt Schwangeren die Aufbringung der finanziellen Mittel nicht zugemutet werden kann, regele das Schwangerschaftskonfliktgesetz. Hier könne der Gesetzgeber prüfen, ob eine Notwendigkeit zur Anpassung der Einkommensgrenzen besteht. König: „Nur so kann die Passage im Koalitionsvertrag verfassungskonform verstanden werden.“
Schutzkonzept: „kein Relikt des vermeintlich frauenfeindlichen frömmelnden Katholizismus“
In dem Beitrag, der mit „Abtreibung darf keine Kassenleistung werden“ überschrieben ist, stellt die direkt gewählte Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Borken II die sozialpolitische Realität vieler ungewollt Schwangerer an den Anfang ihrer Überlegungen. Ausgehend von der Kerker-Szene in Goethes „Faust“, in der Gretchen klagt, „mein Kind hab ich ertränkt“, schreibt die CDU-Politikerin: Mit der „unbedarften Kindsmörderin“ habe Goethe „eine der tragischsten Frauenfiguren der deutschsprachigen Literatur“ geschaffen: „Die junge Frau ist allein, ohne Unterstützung, und ihr Kind ist schutzlos, im doppelten Sinn. Der Vater hat sich weggeduckt. Es gibt kein Recht, das schützt, und keinen Staat, der hilft. So fällt die Entscheidung in den Abgrund.“ Damals wie heute fordere „die uralte Frage“, „Recht und Moral gleichermaßen“ heraus: „Wie schützen wir das Leben, wenn zwei verletzliche Leben miteinander ringen?“
Nach Ansicht der 40-jährigen Mutter zweier Kinder habe „die deutsche Rechtsordnung“ auf diese Frage „eine Antwort gegeben, die nicht perfekt, aber grundlegend und praxisgerecht“ sei. König: „Das Schutzkonzept rund um § 218 und § 218a StGB ist kein Relikt des vermeintlich frauenfeindlichen frömmelnden Katholizismus, wie gelegentlich behauptet wird, sondern Ausdruck einer tief durchdachten, verfassungsrechtlich gefestigten Balance zwischen dem Lebensrecht des ungeborenen Kindes und dem Selbstbestimmungsrecht der Frau.“
Abtreibung ist keine Gesundheitsleistung wie die Entfernung eines Abszesses
„Ein Schwangerschaftsabbruch ist keine harmlose ‚Gesundheitsleistung‘ wie die Entfernung eines Abszesses.“ Diese rechtliche Einordnung könne „autonomiefördernd wirken, weil sie Frauen argumentativ stärkt gegenüber jenen, die aus eigenem Interesse eine ‚schnelle Lösung‘ fordern, deren seelische und körperliche Folgen am Ende jedoch allein die Frau zu tragen hat“. König: „Die Beratung ist die einzige Chance, die unsere Rechtsordnung dem ungeborenen Kind garantiert. Sie hilft zugleich der Schwangeren, weil sie ergebnisoffen geführt wird und mit keinerlei Zwang für die schwangere Frau verbunden ist. Hätte es zu Goethes Zeiten bereits unsere jetzige Rechtsordnung gegeben, hätte sich Gretchen wohl gerne nach dem § 218 StGB ff. beraten lassen – und am Ende wohl mithilfe des Staates ihr Kind auch ohne den gelehrten Dr. Faustus großgezogen.“ (DT/reh)
Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.