Seit Ende März sind im zentralnigerianischen Bundesstaat Plateau rund 113 Menschen bei einer Serie brutaler Überfälle getötet worden. Dies hat das christliche Hilfswerk Open Doors am Montag berichtet. Besonders betroffen waren die Regionen Bokkos und Bassa, in denen zahlreiche christliche Gemeinden leben. Die Angriffe, die sich über mehrere Wochen erstreckten, zielten offenbar gezielt auf Christen. Auch während der Karwoche wurden Dörfer überfallen.
Nach Angaben von Open Doors zerstörten bewaffnete Angreifer in mindestens acht Ortschaften über 300 Häuser und setzten viele davon mit Bewohnern in Brand. Mehr als 3.000 Menschen seien auf der Flucht, sechs Personen gelten als vermisst, Dutzende wurden verletzt. Die Verantwortlichen der Angriffe werden als Fulani-Milizen bezeichnet, eine Gruppe, die bereits in der Vergangenheit durch Übergriffe auf Christen auffiel.
Gezielte Gewalt gegen Christen
Zu den schwersten Übergriffen kam es laut Open Doors am Abend des 13. April in der mehrheitlich christlichen Gemeinde Bassa. Dort seien mindestens 43 Menschen getötet worden, viele von ihnen verbrannten in ihren Häusern. Bereits am 24. März seien drei Christen bei der Feldarbeit erschossen worden. Am 27. März töteten die Angreifer elf Christen bei einer Trauerfeier, darunter eine schwangere Frau und ein zehnjähriges Mädchen. Am 2. April kamen mindestens fünf Christinnen ums Leben, die sich zum Gebet versammelt hatten.
Die Gewalt trifft vor allem christliche Dorfgemeinschaften in einer ohnehin prekären Lage. „Unsere Menschen leben in Angst“, erklärte der Berater der lokalen Regierung für Sozialfragen, Titus Ayuba Alams. Kinder gingen nicht mehr zur Schule, selbst Gottesdienste seien nicht mehr sicher. Die gezielten Angriffe zielten darauf ab, christliche Gemeinschaften nachhaltig zu schwächen.
Gezielte Destabilisierung
Zu den Hintergründen der Angriffe erklärt Open Doors, dass diese mit dem Beginn der Regenzeit zusammenfallen, einer entscheidenden Phase für die landwirtschaftlich geprägten Regionen, da Subsistenzbauern jetzt ihre Felder bestellen müssen, um die Trockenzeit zu überstehen. Viele der Getöteten waren Männer, die als Versorger ihrer Familien arbeiteten. Mit ihrem Tod stehen zahlreiche Frauen und Kinder plötzlich ohne Einkommen da.
Beobachter sprechen von gezielten, taktischen Angriffen auf die Lebensgrundlagen christlicher Gemeinden. Wenn Dörfer zerstört und Felder nicht bestellt werden können, verliert die örtliche Bevölkerung ihre Existenzgrundlage. Angriffe wie diese seien laut dem Hilfswerk oft bewusst so geplant, dass sie nicht nur kurzfristig Angst verbreiten, sondern langfristig kirchliche Strukturen zerschlagen.
Viele der betroffenen Christen mussten ihre Heimat verlassen und leben nun in überfüllten Notlagern. Allein im Ort Bokkos befinden sich laut Angaben von Reverend Arum, dem Vorsitzenden der Christlichen Vereinigung Nigerias (CAN) in der Region, mehr als 2.000 Binnenvertriebene. In Gombe und Hurti sind es jeweils über 4.000. Die meisten Lager seien schlecht ausgestattet und könnten kaum eine grundlegende Versorgung sicherstellen.
Die Gewalt reiht sich ein in eine lange Reihe religiös motivierter Übergriffe auf Christen im Zentrum Nigerias. Bereits an Weihnachten 2023 kamen bei einem Angriff auf christliche Gemeinden in Plateau rund 200 Menschen ums Leben. Die systematische Zerstörung christlicher Infrastruktur wird von Kirchenvertretern und Hilfswerken als Versuch gewertet, die Präsenz und den Einfluss der Kirche im Land zu brechen. DT/jna
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