Die öffentliche Entwicklungshilfe ist weit mehr als eine großzügige Geste wohlhabender Länder. Sie ist ein Instrument, das seit Jahrzehnten messbar Menschenleben rettet, Armut bekämpft und wirtschaftliche Entwicklung ermöglicht. Gesundheit ist ein Schlüsselfaktor für wirtschaftliches Wachstum, während Krankheit sowohl Ursache als auch Folge von Armut darstellt. Zwischen 1990 und 2019 sank der Anteil extrem armer Menschen weltweit von etwa 36 Prozent auf unter neun Prozent – ein Erfolg, zu dem internationale Entwicklungszusammenarbeit maßgeblich beigetragen hat. Ebenso ging der Anteil hungernder Menschen von etwa 25 Prozent in den 1970er-Jahren auf weniger als zehn Prozent zurück. Die öffentliche Entwicklungshilfe erlebte in den vergangenen Jahren einen bemerkenswerten Aufwärtstrend. Von 185,9 Milliarden US-Dollar im Jahr 2021 stieg sie auf 211 Milliarden US-Dollar 2022 und erreichte 2023 ein Allzeithoch von 223,3 Milliarden US-Dollar.
Doch diese Entwicklung ist jäh zum Stillstand gekommen. Im Jahr 2024 brach die weltweite Entwicklungshilfe erstmals seit fünf Jahren ein und sank auf 212,1 Milliarden US-Dollar – ein Rückgang um 7,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die OECD prognostiziert für 2025 einen weiteren dramatischen Einbruch um neun bis 17 Prozent. Der Hauptgrund ist der von US-Präsident Donald Trump veranlasste Kahlschlag amerikanischer Entwicklungshilfe. Deutschland, das 2023 noch mit 0,82 Prozent seiner Wirtschaftsleistung das UN-Ziel von 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens erreichte, fiel 2024 auf 0,67 Prozent zurück und verfehlte damit erstmals seit 2020 die internationale Zielmarke.
120 Millionen Menschen spüren die Kürzungen
Diese Situation wird sich nun noch verschärfen: Am 1. Juli 2025 verkündete US-Außenminister Marco Rubio das offizielle Ende der US-amerikanischen Auslandshilfen durch die US-Entwicklungsbehörde USAID. Diese von Präsident John F. Kennedy 1961 gegründete Organisation war eine der größten ihrer Art weltweit und stellte über 40 Milliarden Dollar jährlich für humanitäre Projekte und Hilfsangebote in rund 120 Ländern bereit. Von den ursprünglich etwa 6 200 Projekten sollen nach Rubios Angaben nur noch rund 1 000 unter der Aufsicht des Außenministeriums fortgeführt werden. Bereits am 20. Januar 2025, seinem ersten Tag im Amt, hatte US-Präsident Donald Trump per Executive Order einen 90-tägigen Stopp aller US-Auslandshilfe angeordnet. Im März folgte die Ankündigung, dass über 80 Prozent der USAID-Projekte gestrichen werden sollten.
Die Folgen der USAID-Kürzungen sind bereits verheerend. Eine Studie in „The Lancet“ (Juli 2025) prognostiziert bis 2030 über 14 Millionen zusätzliche Todesfälle, darunter 4,5 Millionen Kinder unter fünf Jahren – etwa 700.000 Kindstote pro Jahr. Die Forscher der Universität Barcelona vergleichen die Situation mit einer globalen Pandemie oder einem großen Konflikt. Besonders betroffen ist Afrika: 120 Millionen Menschen in über 100 Ländern spüren die Kürzungen. Die größten absoluten Kürzungen gab es in der Demokratischen Republik Kongo und Äthiopien, während kleinere Volkswirtschaften wie Liberia, Somalia, Malawi und Mosambik relativ am stärksten betroffen sind, da USAID-Mittel dort einen größeren Anteil am BIP ausmachten. In Konfliktgebieten wie Somalia und Mali können die Regierungen den Ausfall kaum ausgleichen. Die Auswirkungen sind überall spürbar: Im Sudan schlossen Gemeinschaftsküchen, die Hunderttausende versorgten. In der Ukraine fehlt es Gemeinden an Brennholz. In Äthiopien könnten 503.000 HIV-Patienten ohne Behandlung bleiben. CDC Africa schätzt, dass die Gesundheitsrückschläge durch die Kürzungen zu zwei bis vier Millionen Todesfällen führen könnten.
Katholische Hilfswerke warnen
Daher haben auch die katholischen Hilfswerke in Deutschland eindringlich vor den katastrophalen Auswirkungen gewarnt. Sie erhielten zahlreiche Anfragen von Partnern vor Ort, in die weggebrochene Finanzierung von Hilfsprojekten einzuspringen. Martin Lenz, Leiter der Abteilung Projektarbeit beim Osteuropa-Hilfswerk Renovabis, erklärt: „Für Hilfsorganisationen in aller Welt summieren sich die nun ungedeckten Projekt- und Personalkosten in kürzester Zeit auf. Sie müssen jetzt reagieren, jetzt Personal entlassen und jetzt Projekte von einem Tag auf den anderen stoppen.“ Oliver Müller von Caritas international formulierte es ebenfalls drastisch: „Die politische Rückendeckung für solidarisches Handeln bröckelt. Und diese existenzielle Krise trifft die Schwächsten zuerst.“
Aus diesem Grund ist das Engagement privater Spender in Zeiten schwindender staatlicher Gelder umso wichtiger. Beim Dreikönigssingen zu Jahresbeginn 2025 beispielsweise sammelten die Sternsinger bundesweit rund 48,1 Millionen Euro – über zwei Millionen Euro mehr als im Vorjahr. Pfarrer Dirk Bingener, Präsident des Kindermissionswerks „Die Sternsinger“ und Leiter von Missio, betonte, jeder gesammelte Euro sei wichtig für eine zielgerichtete Projektarbeit: „Angesichts der Kriege und Konflikte in der Welt – von der Ukraine, über Gaza bis in den Sudan oder nach Myanmar – ist diese Hilfe dringend erforderlich.“
Der Autor ist Prorektor der Allensbach Hochschule. Er ist als Publizist und Berater tätig.
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