An einer transparenten Aufarbeitung des Pandemie-Managements zweier Bundesregierungen durch den nächsten Bundestag führt kein Weg vorbei. Laut Recherchen von „Süddeutsche Zeitung“ und „Die Zeit“ hielt der Bundesnachrichtendienst (BND) aufgrund eigener Erkenntnisse die sogenannte „Laborthese“ bereits im Jahr 2020 für sehr viel wahrscheinlicher als die sogenannte „Übersprungsthese“, wonach das Virus von Wildtieren über einen Zwischenwirt auf den Menschen übertragen wurde. Die Wahrscheinlichkeit, mit der der BND es für möglich hielt, dass das Coronavirus aus dem Labor stammt, soll der Dienst in seiner Unterrichtung der Bundesregierung mit 80 bis 95 Prozent angegeben haben.
Das Problem ist nicht, dass das Bundeskanzleramt den Bericht des BND als streng geheim einstufte und unter Verschluss hielt. Ein solcher Umgang mit nachrichtendienstlichen Erkenntnissen ist bereits zum Schutz von Quellen aus guten Gründen üblich und angeraten.
Unbarmherziges Kesseltreiben und die Politik schaut zu
Die Frage, die jetzt beantwortet werden muss, lautet: Wie war es angesichts solcher nachrichtendienstlichen Erkenntnisse jahrelang möglich, dass nahezu jeder hemmungslos als „Verschwörungstheoretiker“ gebrandmarkt, sozial geächtet und wissenschaftlich verächtlich gemacht wurde, der die These verfocht, dass das Virus menschengemacht sei?
Konkret: Wie konnte beispielsweise das Bundeskanzleramt unter Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) einem solchen Treiben tatenlos zusehen, obwohl beide wussten, dass diese These, die sich obendrein nun zunehmend zu bewahrheiten scheint, auch vom eigenen Geheimdienst als hochwahrscheinlich einstuft wurde? Was hätte es die damaligen Verantwortlichen eigentlich gekostet, zu erklären, man werde jede denkbare These nachgehen und prüfen, statt jenem unbarmherzigen Kesseltreiben zuzuschauen, das daraufhin in Wissenschaft, Medien und Teilen der Politik losbrach?
In wessen Auftrag handelte Christian Drosten?
Nun stellen sich viele unappetitliche Fragen. War es den Regierenden bloß egal? Oder war es vielleicht gar in ihrem Sinne? Und: In wessen Auftrag handelt der Chefberater der Kanzlerin, der Virologe Christian Drosten, als er im März 2020 in der Fachzeitschrift „The Lancet“ „Verschwörungstheorien, die suggerieren, dass COVID-19 keinen natürlichen Ursprung hat, aufs Schärfste“ verurteilte? In eigenem oder vielleicht doch in fremdem?
Fragen über Fragen, die eine Aufarbeitung unabwendbar erscheinen lassen. Jedenfalls dann, wenn man Wunden, die der Umgang mit der Pandemie vielen geschlagen hat, heilen und die Spaltung der Gesellschaft nicht weiter vorantreiben will.
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