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„The Babylon Bee“: Im Witz ist Wahrheit

Humor ist eine ernste Angelegenheit – auch und gerade für Christen, meinen die Betreiber der Satire-Website „The Babylon Bee“.
Seth Dillon
Foto: notthebee.com | Der „Herr der Bienen“: Unternehmer Seth Dillon.

Herr, schenke mir Sinn für Humor“, heißt es in einem bekannten Gebet des Hl. Thomas Morus. „Gib mir die Gnade, einen Scherz zu verstehen, damit ich ein wenig Glück kenne im Leben und anderen davon mitteile.“ Es ist ein verbreitetes Vorurteil, dass diese Gabe gerade unter gläubigen Christen nicht allzu reichlich verteilt sei. Diese Auffassung Lügen zu strafen, haben sich die US-Amerikaner Seth Dillon und Kyle Mann zur Aufgabe gemacht, die mit rund zwanzig Mitarbeitern die Website „The Babylon Bee“ betreiben – laut Eigenbeschreibung „deine vertrauenswürdige Quelle für christliche Nachrichten-Satire“.

Ins Leben gerufen wurde „The Babylon Bee“ im Frühjahr 2016 von dem evangelikalen Comicautor Adam Ford. Satire, so erklärte Ford, sei ein „kraftvolles und effektives Werkzeug zur Verbreitung von Ideen“, werde aber „fast ausschließlich aus einer antireligiösen Weltanschauung heraus“ betrieben – und das gelte es zu ändern.

Während viele andere Satire-Formate in den Medien den Eindruck erwecken, ihre Schöpfer sähen ihre Aufgabe in erster Linie darin, politische oder weltanschauliche Gegner lächerlich und verächtlich zu machen, spielte bei „The Babylon Bee“ von Anfang an ein selbstironischer Blick auf die eigene Zielgruppe eine zentrale Rolle. Zwar nahm und nimmt die Seite gern und oft den intellektuellen Snobismus von Atheisten oder die Ignoranz der säkularen Gesellschaft gegenüber religiösen Phänomenen aufs Korn, mindestens ebenso sehr aber die charakteristischen Eigentümlichkeiten, Schrullen und Schwächen von Christen unterschiedlicher Glaubensrichtungen.

Satire wirkt wie ein Overhead-Projektor

In einem Interview mit dem Magazin „Christianity Today“ betonte Ford, er wolle die „Babylon Bee“-Leser nicht nur zum Lachen bringen, sondern auch zur Selbstreflexion anregen: „Satire wirkt wie ein Overhead-Projektor“, führte er aus: „Sie greift etwas auf, was man sonst vielleicht ignorieren könnte, und projiziert es groß an die Wand, damit jeder es sehen kann.“ So karikiert die Seite in Beitragskategorien wie „Christliches Leben“ und „Glaubenstipps“ immer wieder allzu subjektiv-bedarfsgerecht zurechtgemachte Gottesbilder, kommerziell erfolgreiche Prediger und Bestsellerautoren, die die Botschaft des Evangeliums auf Lifestyle- und Wellness-Tipps reduzieren, die Rockstar-Allüren und begrenzten musikalischen Fähigkeiten kirchlicher Lobpreis-Bands („Wegen galoppierender Inflation kann der Lobpreisleiter sich nur noch Lieder mit zwei Akkorden leisten“) oder die Neigung, Gottvertrauen als Ausrede für einen Mangel an Initiative und Eigenverantwortung zu gebrauchen. Daneben nehmen jedoch auch politische und gesellschaftliche Themen sowie Alltagsprobleme („Sieben Anzeichen, dass deine Katze in Wirklichkeit der Satan ist“) breiten Raum ein.

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Großer Zuwachs bei der Reichweite

Ende 2018 verkaufte „Babylon Bee“-Gründer Ford die Website an den Unternehmer Seth Dillon, den Sohn eines Predigers; Kyle Mann – ein ehemaliger Mitarbeiter einer Baufirma, den Ford als Autor für seine Satireseite engagiert hatte, nachdem er unverlangt einen Witz eingesandt hatte – wurde Chefredakteur. Seither ist die Reichweite der Seite von drei Millionen auf zwanzig Millionen Aufrufe im Monat gestiegen; der Twitter-Account der „Babylon Bee“ hat aktuell gut 1, 2 Millionen Follower, zudem betreibt die Seite einen Webshop, der zum Beispiel Bücher, Kaffeetassen, Mützen und T-Shirts anbietet, sowie einen wöchentlichen Podcast, der unlängst durch ein Interview mit dem Unternehmer Elon Musk Aufsehen erregte. Derweil stellen Beobachter der US-amerikanischen Medienlandschaft fest, der Anteil politischer Beiträge auf „The Babylon Bee“ nehme in jüngster Zeit stark zu und zugleich verschiebe der politische Standpunkt der Publikation sich zusehends nach rechts. Nachdem die Seite noch während des US-Präsidentschaftswahlkampfes 2016 häufig Donald Trump zur Zielscheibe ihres Spottes gemacht hatte, sei sie in den Jahren seiner Präsidentschaft immer unkritischer gegenüber Trump geworden. Zugenommen hätten dagegen Angriffe auf Politiker der Demokratischen Partei, auf linksgerichtete Aktivisten, Feministinnen und Transgender-Personen. Chefredakteur Kyle Mann erklärt hierzu, es gehöre zu den Aufgaben von Satire, besonders jene zu verspotten, die „kulturelle Macht“ besitzen, und das seien in der Politik wie in den Medien derzeit eben vorrangig die Vertreter „progressiver“ Ideologien. Zudem gelte es, gegenüber einer Gesellschaft, „die vielfach nicht mehr an eine objektive, universelle Wahrheit glaubt“, für die Wahrheit einzutreten.

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Mit fiktiven Nachrichten der Wahrheit dienen zu wollen, ist indes ein Ansinnen, das Missverständnisse geradezu herausfordert. So geriet „The Babylon Bee“ seit 2018 wiederholt ins Visier von „Faktencheck“-Websites wie „Snopes“, die ihr vorwarfen, unter dem Deckmantel der Satire „Fake News“ zu verbreiten oder es zumindest billigend in Kauf zu nehmen, dass Internet-Nutzer ihre Artikel irrtümlich für echte Nachrichten hielten. Links zu „Babylon Bee“-Beiträgen in sozialen Netzwerken wurden mit Warnhinweisen wegen „Desinformation“ versehen oder ihre Reichweite wurde eingeschränkt.

Beim Ableger „Not the Bee“ sind die Nachrichten echt

Wohl auch als Reaktion auf solche Auseinandersetzungen ging im Herbst 2020 der Ableger „Not the Bee“ online – eine Website, die im Unterschied zur „Babylon Bee“ echte Nachrichten bringt, allerdings vorrangig solche, die derart absurd oder unglaublich wirken, dass man geneigt sein könnte, sie für Satire zu halten. Häufige Themen sind hier Kuriositäten aus dem Bereich der Transgender- oder der Rassismus-Debatte, einseitige oder manipulative Berichterstattung der etablierten Medien sowie blamable oder unfreiwillig komische Auftritte von Politikern oder anderen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Zuweilen dokumentiert die Seite „Not the Bee“ auch Fälle, in denen die Realität die Satire zu imitieren scheint. So erschien im Januar 2019 in „The Babylon Bee“ ein Artikel über einen Mann, der, um „ein Zeichen gegen toxische Maskulinität zu setzen“, das Schneeräumen in der Einfahrt „großzügig“ seiner Frau überlässt; fast genau zwei Jahre später konnte „Not the Bee“ vermelden, die „Prophezeiung“ habe sich „erfüllt“: Ein kanadischer Politiker hatte auf Twitter ein Foto veröffentlicht, das seine Frau beim Schneeschaufeln zeigte – und dies, wie der Ehemann mit offenkundigem Stolz betonte, unmittelbar nach einer Zwölf-Stunden-Schicht im Krankenhaus.

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