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„Marathon-Pater“: Ein Marathonlauf zu Gott

Er wurde bundesweit bekannt als der „Marathon-Pater“ – seine Marathonläufe führten Prämonstratenserpater Tobias Breer aus der Duisburger Abtei Hamborn sogar bis in die Wüste des Oman.
Pater Tobias Breer OPraem bei einer Buchpräsentation in St. Petri in Magdeburg
Foto: OG | Pater Tobias Breer OPraem bei einer Buchpräsentation in St. Petri in Magdeburg.

Einen besonderen Gag gibt es stets, wenn Prämonstratenser-Pater Tobias Breer aus der Duisburger Abtei Hamborn aus seinem aktuellen Buch „Der Marathon-Pater“ liest: Nach einigen Kapiteln dreht er sich kurz vom Publikum weg, zieht seine weiße Soutane aus, darunter kommt sein Sportdress zum Vorschein – ein Laufshirt mit seiner Homepage „www.pater-tobias.de“ in gut lesbaren Lettern und vor allem seine bunten Laufschuhe, die er beim weltbekannten Boston-Marathon in den USA gekauft hat. „Die habe ich noch nie zum Laufen getragen“, erzählt er im Gespräch. Sie sind ein reiner Werbegag mit ihrem markanten weiß-blau-roten Karomuster.

Das Verkaufen liegt Pater Tobias, er ist nicht nur Ordenspriester und Theologe, sondern hat auch „Change Management“ für Manager und Entscheidungsträger studiert. Dabei geht es darum, notwendige Veränderungsprozesse zu erkennen und einzuleiten – auch im Verhalten der Manager selbst. An der katholischen Journalistenschule hat er ebenfalls eine Ausbildung absolviert. Seit 25 Jahren ist er als Kämmerer für die Finanzen der Abtei Hamborn verantwortlich, im Hauptberuf ist er Pfarrer in der Gemeinde Herz Jesu im Duisburger Norden, einem sozialen Brennpunkt. Zahlreiche soziale Projekte hat er hier in den letzten Jahren angestoßen, die er unter anderem über Sponsorenläufe finanziert.

Karrierestart mit Übergewicht

Seine „Karriere“ als „Marathon-Pater“ geht bis ins Jahr 2006 zurück. In seinen Manager-Seminaren habe er den Teilnehmern immer den Tipp gegeben, Sport zu treiben, das sei effektiv, um den Stresslevel zu regulieren. Doch als er sich im Spiegel betrachtet habe, habe das schlechte Gewissen schließlich die Überhand gewonnen: Mit 1, 85 Meter Körpergröße habe er damals über 90 Kilogramm gewogen. Viel zu viel in seinem Alter – und eine Motivation, endlich den Rat zu befolgen, den er seinen Seminarteilnehmern stets gegeben hatte. Also legte er die Turnschuhe an, schlich sich unbemerkt aus der Abtei und lief anderthalb Kilometer, und das noch mit Gehpausen alle 400 Meter. Dann war Schluss, er konnte nicht mehr. Doch trotz der kurzen Laufstrecke habe sich ein Glücksgefühl eingestellt, erzählt er während einer Lesung im Pfarrzentrum von St. Petri in Magdeburg. „Laufen ist mein Ding“, das sei ihm von da an klar gewesen, sagt Pater Tobias.

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Nur wenige Wochen später wollte er es dann wirklich wissen: Der Ordensmann aus Duisburg meldete sich zum Berlin-Marathon an, der zu den sechs wichtigsten Laufstrecken der Welt gehört. Bis auf Tokio hat er heute alle davon absolviert – neben Berlin auch New York, Boston, Chicago und London. Doch damals, 2006, habe alles viel bescheidener angefangen, erzählt er im Gespräch. Das Datum, den 24. September 2006, werde er nie vergessen. Die letzten der rund 42 Kilometer habe er mehr gehend als laufend verbracht, doch im Gegensatz zu vielen anderen Teilnehmern schaffte er es durchs Brandenburger Tor, überquerte die Ziellinie. „Das machst Du nie, nie wieder“, habe er damals auf den letzten Kilometern immer wieder zu sich selbst gesagt.

Ein „Wiederholungstäter“ auf der Marathonstrecke

Glücklicherweise hielt er sich nicht daran. Ein Jahr später ging es zum nächsten Marathon nach Hamburg. Und diesmal bekamen seine sportlichen Ambitionen einen ganz neuen Sinn: Denn er erfuhr, dass sich andere Läufer für einen guten Zweck sponsern lassen – und das brachte ihn auf eine neue Idee. Denn in seiner pastoralen Arbeit im Duisburger Stadtteil Neumühl, einem Stadtteil mit hoher Arbeitslosigkeit, hat Pater Tobias gleich mehrere soziale Projekte angestoßen. Unter dem Dach einer gemeinnützigen GmbH, dem „Projekt LebensWert“, finden sich mittlerweile vier soziale Projekte, die sich um Bedürftige und sozial Schwache kümmern.

Ein weiteres Projekt kam hinzu: Einmal habe ihm bei einem Seelsorgegespräch eine ältere Dame in ihrer eigenen Wohnung im dicken Mantel die Türe geöffnet – sie konnte sich die Heizkosten nicht leisten. Neben Altersarmut habe auch die Einsamkeit im Alter zugenommen, berichtet der sozial engagierte Pater. Er gründete den „Offenen Treff mit Herz“, wo Bedürftige kostengünstig ein Frühstück oder Mittagessen sowie Kaffee und Kuchen erhalten, zusammen sitzen und miteinander ins Gespräch kommen können.

Besonders angetan haben es dem Prämonstratenser aber die Kinder und Jugendlichen. Unter dem Titel „KiPa-cash-4-kids“ finanziert er die Beiträge für Kinder im Sportverein, Musikunterricht oder eine Lernküche, in denen sie einen „Ernährungsführerschein“ machen können. Aufgrund der Folgen der Corona-Lockdowns engagiert er sich aktuell für Schwimm- und Radfahrkurse für Kinder, die in Pandemie-Zeiten ausgefallen sind. „Da kommt ein Kind im Hochsommer mit einem dicken Pullover zum Religionsunterricht – weil sich zu Hause niemand kümmert, wie es aus dem Haus geht“, erzählt Pater Tobias. Andere hätten morgens nicht gefrühstückt und auch in der Schule kein Pausenbrot dabei. Ihnen ermöglicht er einmal die Woche ein Schulfrühstück, legt Wert auf gesunde Ernährung. „Was wir unseren Kindern schenken, schenken wir uns allen“, beschreibt der Ordensmann seine Motivation.

Einsatz für Flüchtlinge

Als 2015 viele syrische Flüchtlinge nach Deutschland kamen, war Pater Tobias wiederum zur Stelle. Der Offene Treff wird abends zum syrisch-deutschen Restaurant „Sham“umgebaut. Dort hatten die Flüchtlinge eine Möglichkeit zum Arbeiten, außerdem wird der Offene Treff durch die Erlöse aus dem Restaurant mitfinanziert – da kommt der Geschäftsmann wieder zum Vorschein.

Um all diese Projekte zu finanzieren, muss der „Marathon-Pater“ weiterlaufen. Er findet Sponsoren, die seine sozialen Projekte unterstützen – doch dafür muss er seine selbstgesteckten Ziele erreichen. Und die wurden mit den Jahren immer höher. 155 Marathons habe er mittlerweile absolviert, den letzten zugunsten des Klosterneubaus der Prämonstratenser am einstigen Wirkungsort ihres Ordensgründers, des hl. Norbert von Xanten, in Magdeburg. 30 bis 35 Marathons seien es pro Jahr, auch einige Ultra-Marathons mit teils über 100 Kilometern Laufstrecke seien inzwischen dazugekommen. Allein in diesem Jahr seien rund 70 000 Euro an Spenden zusammengekommen, sagt Pater Tobias – plus 6 000 Euro für den Klosterneubau in Magdeburg, wobei er sich hier 13 000 Euro als Zielmarke gesetzt habe.

Der Höhepunkt bisher: Ein Lauf in der Wüste des Oman. Zwei Tage lang auf 1 200 Höhenmetern, extreme Luftfeuchtigkeit, 172 Kilometer in fünf Etappen, Tagestemperaturen von über 45 Grad, nachts lauerten Gefahren durch Skorpione, Schlangen und andere gefährliche Tiere. Warum er sich das antut? „Jesus war 40 Tage in der Wüste, bei mir waren es doch nur fünf Tage“, schmunzelt der Pater.

Marathon als geistlicher Weg

Die Marathons, so erzählt er, sind für ihn auch ein geistlicher Weg, ein Weg in die Stille. Beim Laufen komme mehr Sauerstoff ins Hirn, die Gedanken würden leichter fließen. So würde er sich beim Laufen oft auf Predigten, Vorträge oder ähnliches vorbereiten – immer das Handy als Diktiergerät griffbereit. Auch das Gebet begleite ihn oft durch die Marathons – insbesondere das Vaterunser. „So halte ich das Gespräch mit Jesus, meinem Freund, am Laufen“, erzählt Pater Tobias. „Trotz aller Anstrengungen nehme ich ihn wahr.“ Das war nicht immer so: Nach dem frühen Tod seiner Mutter wandte er sich von Gott und der Kirche ab, fand erst einige Jahre später mithilfe eines Paters aus der Abtei Hamborn zum Glauben zurück.

Manchmal, so erzählt der Ordensmann, stimme er während des Laufs ein Kirchenlied an und singt dann beispielsweise „Morgenstern der finsteren Nacht“. Woher er dafür während des Laufens dafür die Luft nimmt – das ist wohl ohne Hilfe von oben kaum erklärbar.

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