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Publizist beklagt Ewiggestrigkeit der Linken

Der rechte Spießer hat längst seine Lufthoheit über die Stammtische verloren, meint der Publizist Holger Fuß. Heute regiert der linke Spießer den Mainstream.
Gefragte Kleingärten
Foto: Sebastian Gollnow (dpa) | Ein Mann gießt in einer Kleingartenanlage am Morgen seine Pflanzen.

Noch in den achtziger Jahren, ich damals war blutjung und begann als Journalist, galt als spießig, was sich rechts von der politischen Mitte aufhielt, als Leitfigur hielt im Kanzleramt Helmut Kohl her, massig, birnenförmig und scheinbar anti-intellektuell. Er verkörperte alles, was die sich aufgeklärt wähnenden Linkskreativen als tumbes teutonisches Mittelmaß ausloteten. 

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Spießigkeit ist widerstandsfähiger als gedacht

Der Spießer von einst ist im Ruhestand.  Die Achtundsechziger und ihre Nachfolger mussten allerdings feststellen, dass Spießigkeit widerstandsfähiger ist als gedacht. 

Denn die autoritären Eltern und Großeltern vererbten wesentliche Charakterstrukturen auf Kinder und Enkel. Ihre besserwisserische Verbohrtheit gepaart mit Gefühlen des Ungenügens sind in den nachfolgenden Generationen quicklebendig. Waren rechte Spießer aus Unsicherheit strukturell konservativ, wurden ihre Kinder zu linken Spießern und aus Unsicherheit strukturell ideologisch. Der ewige Spießer, wie ihn Horváth beschreibt, vermag sich eben chamäleongleich neue Ideen anzueignen und damit jede Pirouette des Zeitgeistes nachzuvollziehen. 

Seit die Babyboomer in die Jahre gekommen sind, Jahrgänge also, die von Popkultur und Rebellenpose geprägt wurden, wurde der vordem rechtskonservative Mainstream abgelöst von einem Durchschnitt, der linksliberal Maß nahm. Der Schrebergärtner von heute hört nicht mehr Blasmusik, sondern AC/DC. Selbst unscheinbare Sekretärinnen lassen sich inzwischen Tattoos stechen. 

Unliebsame Standpunkte sollen totgeschwiegen werden

Mit der Cancel Culture, die in der westlichen Welt die Meinungskorridore verengt, hat das linke Spießertum methodisch die schweigende Mehrheit der konservativen Vorgängergenartionen abgelöst – und behält tendenziell doch deren Traditionen bei. Unliebsame Standpunkte sollen damals wie heute totgeschwiegen werden. Die wirksamste Waffe gegen die Despotie der Spießigkeit dürfte indes der Humor sein. Das Lachen als Zuchtmeister hat noch jede Tyrannei bezwungen.  DT

Holger Fuß über Spießer gestern und heute. Lesen Sie den ganzen Essay in der kommenden Ausgabe der Tagespost.

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