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Mein Tagesposting: Jerusalem, Jerusalem

Über Maria als Friedensstifterin für Jerusalem. Von Paul Badde
Paul Badde
Foto: dpa

Jerusalem ist dem Judentum heilig, weil Gott selbst in dieser Stadt Wohnung genommen hat – mit seinem Wort, mit seinen Gesetzestafeln vom Sinai, die die Kinder Israels schon auf ihrem Zug durch die Wüste im „Tabernaculum“ des Bundeszeltes mit sich geführt hatten, nachts unter einer Feuer-, tagsüber unter einer Wolkensäule, bevor sie die Bundeslade schließlich ins Allerheiligste ihres ersten Tempels brachten, den König Salomon ab dem Jahr 957 vor Christus über dem Kidron-Tal errichten ließ. In Jerusalem ist in der Zeit des Tempels auch die Bibel entstanden. Viele Propheten lebten hier und die Autoren der meisten Psalmen. Israels Könige haben hier seit David residiert. Doch vor allem Gott mit der Gegenwart seiner Gebote. Nun ist der moderne Staat Israel mit seinen vielen ungebändigten Radikalen und Nationalreligiösen, darunter auch die oft ebenso sanftmütigen wie rabiaten „Siedler“, natürlich nicht einfach identisch mit dem Judentum der Propheten, auch wenn manche Propagandafabriken es anders darstellen, deren gefährlich unterkomplexe Verkürzungen einer hochkomplexen Geschichte Präsident Trump sich jetzt zu eigen gemacht hat.

Der letzte jüdische Tempel Jerusalems wurde im Jahr 70 durch die Römer zerstört. Nur seine Grundmauern haben sich erhalten; deshalb ist heute klar, wo er sich befand. Als nämlich die Macht des heidnischen Staatskults im römischen Reich zerbrach, und Christen nach dem Besuch der Kaiserinmutter Helena im Jahr 325 die heilige Stadt übernahmen, ließen sie diese Mauern mit den anderen Ruinen des Tempelbergs als zeichenhafte Brache zurück. Statt des jüdischen Tempels, auf den Jesus vom Kreuz noch geschaut hatte, errichteten sie ihr prächtiges Heiligtum über dem Golgathahügel und dem „heiligen Felsengrab“. Als muslimische Heere „Hierosolyma“ im Jahr 637 überrannten, nannten die Wüstenkrieger die byzantinische Stadt dann in „Al Kuds“ (die Heilige) um, und nahmen den verwaisten alten Tempelplatz gleich in Besitz für ihre wichtigsten Neubauten. Dass die Byzantiner den städtebaulich prominentesten Platz bis dahin aber als Trümmerhaufen hatten liegen lassen, hatte noch einen ganz besonderen Grund: Ende des 5. Jahrhunderts hatten sie unmittelbar nördlich des alten Tempels nämlich das Geburtshaus Marias als älteste Marienkirche Jerusalems eingeweiht und das Fest der Geburt „unserer hochheiligen Herrin, der Gottesgebärerin und immerwährenden Jungfrau Maria“ am 8. September in den Kalender eingeführt. Mit diesem Fest und dieser ersten Marienkirche neben dem Ruinenfeld erklärten die Christen gleichsam, dass Gott seine Adresse gewechselt habe. Eine kleine jüdische Jungfrau sei inzwischen zum letzten Haus geworden, in dem ER Wohnung genommen habe, doch nicht als Wort, sondern als Mensch, realer und konkreter als vorher im Allerheiligsten des alten Tempels. Skandalöser, kühner und stolzer war noch nie von der Würde des Menschen gesprochen worden – auch nicht von der Würde der Frau.

Was könnte die Krise um Jerusalem heute mehr verlangen als einen Feldzug des flehenden Gebets der Kirchen des Westens und des Ostens zur Königin des heiligen Landes um ihren Beistand für Israel und Palästina – und für das so heiß begehrte und geliebte Jerusalem, die ungeteilte Hauptstadt der ganzen Welt!

 

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