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Rush Limbaugh: Polarisierender Pionier

Der jüngst verstorbene Rush Limbaugh hat das amerikanische Talkradio über Jahrzehnte geprägt. Dabei nahm er nie ein Blatt vor den Mund. Über ein Phänomen, das auch Donald Trump den Weg ebnete.
Rush Limbaugh erhält Orden
Foto: PAT BENIC, imago-images | Die frühere First Lady Melania Trump, hängt dem konservativen Radio-Journalisten Rush Limbaugh die „Presidential Medal of Freedom“ um, die höchste für Zivilisten in den USA zu erreichende Auszeichnung.

Er selbst nannte sich „den gefährlichsten Mann Amerikas“. Donald Trump nannte ihn eine „Legende“ und einen „großartigen Gentleman“, der „es einfach draufhatte“. Der ehemalige US-Präsident war nicht der einzige Republikaner, der Rush Limbaugh, der am 17. Februar im Alter von 70 Jahren an Lungenkrebs verstarb, mit lobenden Worten die Ehre erwies. Auch George W. Bush bezeichnete die Ikone des amerikanischen Talkradios als „Freund“, der „freimütig als Stimme von Millionen von Amerikanern auftrat“.

Von seiner Krebserkrankung, die sich damals schon im fortgeschrittenen Stadium befand, hatte Limbaugh im Januar 2020 erfahren. Im Februar machte er sie öffentlich. Wenige Tage später verlieh ihm der damalige Präsident Trump die „Presidential Medal Of Freedom“, die höchste zivile Auszeichnung in den USA. Und er dankte Limbaugh „für Ihre Jahrzehnte unermüdlicher Hingabe für unser Land“.

Ein Aufreger bis in die eigenen Reihen

Diesem Dank würden sich sicher nicht alle Amerikaner anschließen. Denn Rush Limbaugh, geboren 1951 in Cape Girardeau im Bundesstaat Missouri, polarisierte. Auch Konservative. Das zeigen weitere Reaktionen auf den Tod des, im Wortsinn, Radio-Schwergewichts. Der christliche Publizist Rod Dreher schrieb im „American Conservative“, Rush Limbaugh sei „nicht sein Ding“ gewesen. Dessen Äußerungen hätten ihn manchmal verärgert; in den seltenen Fällen, in denen er sich Limbaughs Show angehört habe, habe der Talkmaster aber amüsanter gewirkt, als ihn das von den Medien vermittelte Bild habe glauben lassen.

Kritikern lieferte Limbaugh, der das totgesagte Talkradio seit Ende der 80er Jahre zu blühendem Leben erweckte und über mehr als 30 Jahre hinweg prägte, nur allzu gerne Futter: Er machte es quasi zu seinem Markenzeichen, gegen alles zu wettern, was links, progressiv oder feministisch war – und in irgendeiner Weise mit den Demokraten in Verbindung stand. „Ich liebe die Frauenbewegung“, sagte er einmal. „Vor allem, wenn ich hinter ihr laufe.“ Berühmt-berüchtigt waren auch seine „AIDS-Updates“ – ein Teil seiner Radioshow, in dem er die Namen derjenigen vorlas, die an der Krankheit gestorben waren. Dazu spielte er das Lied „I'll never love this way again“ (So werde ich nie mehr lieben) der Sängerin Dionne Warwick ein. Feministen nannte er „Feminazis“, den Klimawandel leugnete er, und Barack Obama müsse erst noch beweisen, dass er tatsächlich die US-Staatsbürgerschaft besitze.

Vorreiter seiner Zeit

Aber Rush Limbaugh, viermal verheiratet und dreimal geschieden, war auch ein Pionier. In seiner erfolgreichsten Zeit Anfang der 90er Jahre erreichte er bis zu 20 Millionen Amerikaner. Drei Stunden täglich, von Montag bis Freitag, lief seine „Rush Limbaugh Show“ in Wohnzimmern, Autos und Büros. Im Vergleich zu anderen Radioprogrammen lieferte Limbaugh die meiste Zeit eine „One-Man-Show“. Kein Skript, keine Aufzeichnungen, allenfalls ein paar Zeitungsschnipsel brauchte er, um seine Ansichten zu den Themen auszubreiten, die ihn gerade bewegten. Man kann zu Recht behaupten, dass das Phänomen Donald Trump kaum möglich gewesen wäre ohne das Phänomen Rush Limbaugh.

Während sich das Phänomen Trump aber schwer auf eine Ursache festklopfen lässt, ist dies im Falle Rush Limbaughs sehr wohl möglich. Im Jahr 1987, unter dem republikanischen Präsidenten Ronald Reagan, wurde die sogenannte „Fairness Doctrine“ der Kommunikationsbehörde „FCC“ (Federal Communications Commission) aufgehoben. Seit 1946 hatte die Regelung Radiosender verpflichtet, „ausgewogen“ zu berichten – jedem Meinungsbeitrag musste eine Stimme entgegengestellt werden, die das andere politische Lager abdeckte. Von diesen Fesseln befreit, konnte Limbaugh, der zuvor nur in regionalen Radiosendern aufgetreten war und anfangs auch Musik- und Sportsendungen moderiert hatte, seinen landesweiten Siegeszug im Talkradio beginnen.

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Thematisieren gegen die linke Übermacht

Zugute kam Limbaugh dabei die zunehmende Polarisierung der US-Gesellschaft, die sich in der republikanischen Reagan-Ära (1981–1989) bemerkbar machte. In den Kulturkämpfen um Abtreibung, Religionsfreiheit oder Gender fanden konservative Wähler ausschließlich bei den regierenden Republikanern ihre Heimat. Die linke Gegenfront fand ihre Stimme in einer weitestgehend progressiv geprägten Medienlandschaft: CNN, NBC, ABC oder CNS – fast alle großen Fernsehsender waren – und sind bis heute – links.

Dass das Kabelfernsehen Ende der 80er bis in die 90er Jahre seine Blütezeit erlebte, tat ein Übriges, um Millionen von religiösen und gesellschaftspolitisch konservativen Amerikanern das Gefühl zu vermitteln, ihre Positionen seien im öffentlichen Diskurs unterrepräsentiert. „Fox News“, heute das quotenstärkste TV-Netzwerk und letztlich der einzige große Kanal rechts der Mitte, wurde erst 1996 gegründet. In dieses Vakuum stieß Rush Limbaugh. Mit einfachen Mitteln gelang es ihm, ein wortgewaltiges mediales Gegengewicht zu schaffen. Die Präsidentschaft des Demokraten Bill Clinton (1993–2001) lieferte ihm zudem immer wieder neuen Stoff und neue Feindbilder. Mit Beginn dessen erster Amtszeit leitete er über Jahre seine Show mit dem Slogan „America held hostage“ (Amerika in Geiselhaft) ein.

„Rush Limbaugh gelang es so, in wenigen Jahren
zu einer der wichtigsten Stimmen
für das konservative Amerika zu werden“

Und auch das Medium Radio spielte Limbaugh in die Hände. Es verschaffte ihm die Möglichkeit, quasi omnipräsent zu sein und ein alltäglicher Begleiter von Millionen Amerikanern zu werden – ob im heimischen Wohnzimmer, auf dem Weg zur Arbeit oder am Arbeitsplatz. Ein Radio war leicht verfügbar, und Rush Limbaugh gefühlt immer auf Sendung. „Dittoheads“ nannten sich seine treuesten Anhänger, nicht ohne eine gewisse Selbstironie, da sie den Thesen ihres Idols stets widerspruchslos zustimmten. Rush Limbaugh gelang es so, in wenigen Jahren zu einer der wichtigsten Stimmen für das konservative Amerika zu werden. Ihn als Konservativen zu bezeichnen, wäre jedoch verfehlt. Denn Rush Limbaugh ging es nie vordergründig um Politik, auch wenn er politische Themen abhandelte. Ihm ging es in allererster Linie um Entertainment, um Unterhaltung. Seine Zuhörer mit seinen Worten, mit seiner markanten Stimme zu fesseln und zu begeistern, darin lag sein größtes Talent.

Rush Limbaugh hat noch etwas weiteres, Bemerkenswertes geschafft, und darin besteht auch eine große Parallele zu Donald Trump: Über Jahre, ja Jahrzehnte hinweg, vermittelte er seinen Hörern und Anhängern das Gefühl, ihre Sorgen, Ängste und Nöte zu verstehen – kurz: einer von ihnen zu sein. Dabei lebte er schon lange ein völlig anderes Leben als diejenigen, die sich abgehängt, unterrepräsentiert oder benachteiligt fühlten, und die im Amerika des ausgehenden 20. Jahrhunderts nicht mehr „ihr“ Land sahen. Bekannt ist seine Leidenschaft für edle Zigarren, 85 Millionen US-Dollar verdiente er jährlich in besten Zeiten, lebte in einer riesigen Villa mit Meerblick, fuhr sündhaft teure Autos und besaß sein eigenes Privatflugzeug. Legendär sind auch seine Trinkgelder in Höhe von 5 000 Dollar, die er in Restaurants regelmäßig verteilte.

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Das Talkradio zu neuem Leben erweckt

Eine weiterführende Schule oder ein Studium hat Limbaugh nie abgeschlossen. Schon als Teenager galt seine einzige Leidenschaft dem Radio. Obwohl es die „wilden Sechziger“ waren, in denen Rush Limbaugh den Kinderschuhen entwuchs, soll er so gut wie nie ausgegangen sein. Seine erste Frau heiratete er 1977. Die Ehe hielt drei Jahre. Es folgten drei weitere, aus denen nie Kinder hervorgingen. Eine Autoimmunerkrankung führte um die Jahrtausendwende dazu, dass er sein Gehör fast vollständig verlor. Nur eine spezielle Hörprothese bewahrte ihn vor der Taubheit. Zudem war er jahrelang abhängig von Schmerzmitteln, ging deswegen sogar in Therapie.

Rush Limbaugh hat das Diskursklima in Amerika sicherlich nicht besser gemacht. Und viele fragen, nicht erst seit seinem Tod, ob er dem US-Konservatismus dank seiner regelmäßigen verbalen Grenzüberschreitungen nicht einen Bärendienst erwiesen hat. Aber die Frage zielt am Phänomen Rush Limbaugh vorbei. Er war in allererster Linie ein Entertainer. Wie niemand vor ihm – und wohl auch niemand nach ihm – hat er es verstanden, den Hörern das Futter zu geben, das ihnen sonst in einer gleichförmigen Medienlandschaft nicht präsentiert wurde. Und dabei eine ganze Unterhaltungssparte, das Talkradio, zu neuem Leben zu erwecken. Das macht ihn zum Pionier.

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