Fjodor Michailowitsch Dostojewski hatte Glück, denn eigentlich war der Revolutionär zusammen mit Gleichgesinnten zum Tode verurteilt. Doch in letzter Sekunde wurden die Gefangenen vom Zaren begnadigt und Richtung Sibirien geschickt. Auf dem Weg dahin schenkte ihm eine Frau am Straßenrand einen freundlichen Blick und eine Ausgabe des neuen Testaments. Hierdurch fand Dostojewski in den kommenden zehn Jahren einen festen Halt.
Er lernte Gott und die menschliche Natur kennen
In dieser Zeit lernte er auch Gott und die menschliche Natur kennen. In einem Brief an eine Mutter, die ihn um Leseempfehlungen für ihr Kind bittet, schreibt er: „Machen sie es mit dem Evangelium bekannt, lehren Sie es an Gott glauben, und zwar streng nach der Überlieferung. Dies ist alternativlos. Etwas Besseres als den Heiland können Sie gar nicht finden.“
Auf dieser Grundlage schrieb Dostojewski in neun Romanen mehr als zehntausend Seiten, daneben zahlreiche Novellen, Erzählungen und journalistische Beiträge. Auch wenn er Menschenkundler aus Leidenschaft war, wollte er doch nicht als Psychologe bezeichnet werden: „Man nennt mich einen Psychologen. Das ist nicht richtig. Ich bin nur ein Realist im höheren Sinn, das heißt: Ich zeige die Tiefen der Menschenseele.“
Dabei spielte auch eine Rolle, dass er schon vor 200 Jahren hellwach den Verfall des Glaubens beobachtete und die mangelnde Glaubwürdigkeit derer, die zu verkünden berufen sind: „Man muss beachten, dass die menschliche Natur unbedingt nach Anbetung verlangt. Moral und Glaube sind ein und dieselbe Sache, die Moral entsteht aus dem Glauben.“ So ist sein Werk auch heute noch ein Heilmittel. DT/ari
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