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Film „Die Ruhelosen“: Liebe in besonders harten Zeiten

„Die Ruhelosen“: Eine Frau zwischen der unbedingten Liebe zu ihrem Mann und der Überforderung durch dessen Krankheit.
Filmszene aus „Die Ruhelosen“
Foto: eksystent Filmverleih

Für einen Spielfilm mit dem Titel „Die Ruhelosen“ („Les intranquilles“) beginnt der Film erstaunlich ruhig: ein klassischer Vorspann, unterlegt mit ebenso klassischer Musik. Allerdings handelt es sich dabei um die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm.

„Es war eine große Erleichterung, dass sie die Unruhe ihrer Figur sehr schnell begriff
und verhinderte, dass der Film zu einem 'Problemfilm' wurde“

Auch die erste Szene deutet noch nicht auf irgendeine Auffälligkeit hin: Eine Familie am Strand. Die junge Mutter Leïla (Leïla Bekhti) schläft am Strand, Mann Damien (Damien Bonnard) und der etwa achtjährige Sohn Amine (Gabriel Merz Chammah) sind mit Schnorcheln vom Motorboot aus beschäftigt, mit dem sie herausgefahren sind. Plötzlich aber entscheidet sich Damien, zum Strand zurückzuschwimmen, Amien soll das Boot alleine fahren. Obwohl dem Jungen die Angst ins Gesicht geschrieben steht, schafft er es, das Motorboot zurück zum Strand zu bringen. Es dauert jedoch ziemlich lange, bis Damien zurückkommt.
Die Achterbahn der Stimmungen, die Abwechslung von ruhigen Momenten mit völlig unvermittelten Augenblicken der Ruhelosigkeit setzt der belgische Regisseur und Mit-Autor Joachim Lafosse ein, um in das Thema der „bipolaren Störung“ einzuführen, unter der Damien leidet.

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Leïla deutet Damiens Verhalten richtig als Warnsignal, dass sich – offenbar wieder einmal – eine manische Episode ankündigt. Anzeichen darauf mehren sich. Sie besteht darauf, dass er sein Lithium einnimmt; vorsorglich sperrt sie sein Konto, aber irgendwann einmal wird sie auch unruhig, schafft es kaum, ihre Arbeit als Restaurateurin von antiken Möbeln, die Fürsorge für ihren Sohn, die Liebe zu ihrem Mann und die aufgezwungene Rolle als dessen Krankenschwester unter einen Hut zu bringen.

Die Lage spitzt sich zu

Es wird noch schlimmer, weil Galerist Serge (Alexandre Gavras), der offenbar von Damiens Krankheit nicht weiß, wegen einer Ausstellung auf den Maler Druck ausübt – und Damien die Medikamente auslässt, um im Rausch zu malen. Leïla fühlt sich zunehmend überfordert. Trotz der Hilfe durch Damiens Vater Patrick (Patrick Descamps) wird die Lage für sie immer schwieriger. Joachim Lafosse kennt die bipolare (manisch-depressive) Störung seit seiner Kindheit: „Der Film wurde durch die Erfahrungen mit meinem bipolaren Vater inspiriert. Er wollte Fotograf werden und war es auch eine Zeit lang, aber er konnte seinen Traum nie ganz verwirklichen“, so der Regisseur und Mitdrehbuchautor.

Dass die Figuren im Film die echten Namen der Schauspieler tragen, spricht für eine größere Nähe, für einen halbdokumentarischen Ansatz. Zur Glaubwürdigkeit trägt insbesondere auch das intensive Spiel vor allem der zwei Protagonisten bei.

Trotz allem kein reiner Film über bipolare Störungen

„Die Ruhelosen“ ist allerdings nicht, oder nicht in erster Linie, ein Film über bipolare Störungen, die ohnehin gewisse gemeinsame Merkmale, aber auch unterschiedliche Verläufe aufweisen. Erzählt wird von Anfang an aus Leïlas Perspektive. Und sie rückt immer mehr in den Mittelpunkt: Ihre Überforderung im Alltag, das schwierige Gleichgewicht zwischen der unbedingten Liebe zu Damien und einer Unruhe, die auch sie immer mehr befällt. Dazu führt Joachim Lafosse aus: „Vom ersten Lesen an verstand Leïla, dass es sich nicht um einen Film über bipolare Störung handelt, sondern um ein Hinterfragen unserer Fähigkeiten und Grenzen in unserem Engagement für die Liebe. Es war eine große Erleichterung, dass sie die Unruhe ihrer Figur sehr schnell begriff und verhinderte, dass der Film zu einem 'Problemfilm' wurde.“

Im Grunde handelt also „Die Ruhelosen“ von einer ehelichen Liebe, die auf eine sehr harte Probe gestellt wird. Uraufgeführt wurde „Die Ruhelosen“ im Wettbewerb der Filmfestspiele in Cannes 2021.

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José García

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