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Apple TV-Serie „Pachinko – Ein einfaches Leben“: Bewegendes Epos

Ein Leben der Entbehrungen, aber auch der einfachen Freuden als doppelte Minderheit: die Apple TV-Serie „Pachinko – Ein einfaches Leben“.
"Pachinko"
Foto: Apple TV + | Anfang der 1930er-Jahre gerät das bis dahin harte, aber behütete Leben der 16-jährigen Sunja (Min-ha Kim) aus den Fugen. Im Jahre 1989 wird der Zuschauer sie im japanischen Osaka wiedersehen.

Das Serienformat eignet sich ganz besonders für epische Erzählungen. Dies trifft für die achtteilige Serie „Pachinko – Ein einfaches Leben“, eines der ambitioniertesten Projekte der Streaming-Plattform „Apple TV“, ebenfalls zu.

Die Serie basiert auf dem 2017 erschienenen, gleichnamigen Roman der US-amerikanischen Journalistin mit koreanischen Wurzeln Min Jin Lee, der für den „National Book Award“ nominiert wurde, und erzählt von vier Generationen einer koreanischen Familie. Im Mittelpunkt des Epos steht Sunja, die auf dem Land in der Nähe der koreanischen Stadt Busan im Jahre 1915 geboren wird. Korea befindet sich unter japanischer Herrschaft. Zu Beginn heißt es: „1910 verleibte sich Japan Korea in sein wachsendes Kolonialreich ein“. Ihr schwerbehinderter Vater (Jeong Woong-in), ein einfacher Fischer, verspricht ihr zwar: „Ich werde Dich von den Hässlichkeiten dieser Welt fernhalten“. Weil er aber zu früh stirbt, kann er sein Versprechen nicht halten, und so erlebt sie als kleines Mädchen (Yu-na) den Terror der japanischen Besatzer. Dennoch arbeitet ihre Mutter (Inji Yeong) hart, um Sunja ein sicheres Zuhause anzubieten.

„‚Pachinko‘ nimmt sich als ein universales Drama aus,
in dem das Leben aus kleinen und großen Tragödien
sowie aus erlösenden Taten geflochten wird“

Verwoben mit Sunjas Geschichte ist eine zweite Zeitebene im Jahr 1989 – um den Todestag von Kaiser Hirohito herum. Sunja (nun dargestellt von Yuh-Jung Youn) lebt inzwischen in Osaka, wo ihr Sohn Baek Mozasu (Soji Arai) eine sogenannte Pachinko-Spielhalle führt. Dessen Sohn Solomon (Jin Ha) arbeitet nach seinem Studium an der prestigeträchtigen Columbia University in einer japanisch-amerikanischen Bank. Solomon wird von der Bank nach Tokyo mit einem besonderen Auftrag geschickt: Er, der in Japan als Koreaner dritter Generation aufwuchs, soll eine alte Koreanerin davon überzeugen, ihr Haus zu verkaufen – es ist das letzte Stück Land, das die Bank noch nicht in ihren Besitz bringen konnte, um ein großes Bürohaus zu bauen.

Großmutter und Enkel stellen also die Achsen dar, um die sich die Serie dreht – mit einem erzählerischen Unterschied: Ist Solomons Geschichte bis auf kleine Rückblenden im Jahre 1989 angesiedelt, so erzählt „Pachinko – Ein einfaches Leben“ Sunjas ganzes Leben, wenn auch vor allem auf zwei Zeitebenen: Zu Beginn der 1930er, als Sunja mit etwa 16 Jahren (dargestellt von Min-ha Kim) in ihrem trotz aller Härte bisher eher behüteten Leben große Veränderungen erlebt, und eben im Jahre 1989.

Pachinko ist eine Metapher

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Der Serientitel „Pachinko“ könnte als irreführend gelten, weil die Spielhalle – wo der wunderbare Vorspann stattfindet – eigentlich nur am Rande vorkommt. Aber: Der Name steht auch als Metapher für Koreaner in Japan, die in der Zeit der japanischen Besatzung 1910-1945 zu Hunderttausenden als billige Arbeitskräfte angeworben wurden, und in ärmlichsten Verhältnissen lebten. Davon erzählt – unterstützt von der Zweisprachigkeit des Films, zu der auch noch Englisch hinzukommt – ebenfalls die Serie, die eine Episode der Geschichte verstehen hilft, die in Europa weitestgehend unbekannt sein dürfte. Sunja lebt in doppelter Minderheit als Koreanerin und Christin in Japan.

„Pachinko“ wurde zwar von der so gut wie unbekannten Soo Hugh entwickelt. Sie konnte jedoch auf die Unterstützung eines exzellenten Drehbuchautors und Regisseurs zurückgreifen: des in Südkorea geborenen, in den Vereinigten Staaten lebenden Kogonada, bekannt vor allem wegen seiner Filmessays über berühmte Filmregisseure. Er führt auch Regie zusammen mit Justin Chon. „Pachinko – Ein einfaches Leben“ verbindet das epische US-amerikanische Kino mit der Ästhetik asiatischer Autoren. Insofern erinnert die Serie an herausragende Filme wie den koreanisch-amerikanischen „Minari – Wo wir Wurzeln schlagen“ (DT vom 15.07.2021), wobei auch hier Yuh-Jung Youn die Großmutter spielt, oder ebenfalls „The Farewell“ (DT vom 19.12.2019) – obwohl es sich bei letzterem Film um eine chinesisch-amerikanische Familie handelt.

Kleine und große Tragödien

Allerdings legt „Pachinko“ im Vergleich zu den genannten Filmen noch größeren Wert  auf die Inszenierung, die an große asiatische Regisseure wie Hirokazu Kore-eda oder auch Zhang Yimou, aber auch teilweise an Terrence Malick erinnert. „Pachinko“ nimmt sich als ein universales Drama aus, in dem das Leben aus kleinen und großen Tragödien sowie aus erlösenden Taten geflochten wird – inklusive exzellenter Schauspieler, einem herausragendem Produktionsdesign und eines hervorragenden Drehbuchs, in dem die Familie als unerschütterlicher Fels in der Brandung dargestellt wird.


„Pachinko – Ein einfaches Leben“, USA 2022. Serienentwicklerin: Soo Hugh,
Regie: Kogonada, Justin Chon, acht Folgen à 55 bis 65 Minuten. Auf Apple TV+.

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