Das einzig Beständige ist der Wandel“, sagt der Volksmund. Ein Allgemeinplatz, doch was ganz offensichtlich nicht konstant ist, ist die Geschwindigkeit des Wandels. Ob Trumps neue Außenpolitik, die mal eben die regelfixierten Ideale der Nachkriegsordnung ad acta legt, oder die CDU, die sich in beinahe eruptiver Art von ihrer Altkanzlerin löst – momentan bröckeln Allianzen und alte Gewissheiten in schwindelerregender Manier. Für Konservative, also „bewahrende“ Naturen, eigentlich ein Grund, die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen.
Wer sich also klammheimlich über das zerschlagene Porzellan zwischen ZdK und CDU freut, der hängt jedenfalls nicht am status quo ante – und darf sich insofern hinfort gern als progressiven Katholiken bezeichnen. Wobei gesondert zu klären wäre, ob das Zerwürfnis eher auf dem traditionell zunehmenden linken Fortschrittsgeist des ZdK basiert oder dem fortschreitenden Rechtsschwenk der Union, die mit ihrer Anknüpfung an Vor-Merkel-Überzeugungen den Weg zurück in die Zukunft eingeschlagen hat.
Linke Verbände, rechte Basis
Ähnliche Begriffsverwirrung dürfte in diesen Tagen übrigens auch in der homosexuellen Szene herrschen: Während der LSVD+, eine einflussreiche queere Lobbyorganisation, anlässlich der Bundestagswahl „Wahlprüfsteine“ veröffentlicht hat, in denen die Partei „die Linke“ bei weitem am besten abschneidet, während der CDU/CSU bei acht Kategorien sechsmal die Wertung „schlecht“, und zweimal „gefährlich“ attestiert wird (BSW und AfD antworteten nicht auf die LSVD-Anfrage), ergab eine Umfrage unter Nutzern der schwulen Dating-App „Romeo“, dass diese gar die AfD auf Platz eins wählen würden.
Linke Verbände, rechte Basis – ein Schelm jedenfalls, wer dabei an das Verhältnis katholischer Laienverbände zum von ihnen vorgeblich vertretenen Volk Gottes denkt, das sein Kreuz allen guten Ratschlägen zum Trotz empirisch am liebsten bei der rückschrittlich-progressiven Union setzt. Auch wenn es sicherlich Gründe gibt, den darin aufscheinenden Verlust an wohliger Milieu-Kohärenz zu beweinen: Der frische Wind des Wandels bietet jedenfalls die Gelegenheit, den eigenen Standpunkt frei von überholten Labels zu bestimmen. Nicht das schlechteste für Katholiken, die sich in zunehmend entchristlichter Umgebung sowieso darin üben müssen, argumentativ für ihre Überzeugungen einzustehen.
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