Der ruandische Erzbischof Laurent Mbanda, Vorsitzender der „Global Anglican Future Conference“ (GAFCON), hat am 16. Oktober offiziell die Trennung von Canterbury verkündet. Das geht aus einem Statement auf der Gafcon-Website hervor. Damit lösen sich konservative Kirchenprovinzen, die nach eigener Aussage rund 80 Prozent der weltweiten aktiven Anglikaner vertreten, von der historischen Einheit der Anglikanischen Gemeinschaft. GAFCON fordert alle angeschlossenen Provinzen auf, jeden Hinweis auf Canterbury und die Church of England aus ihren Verfassungen zu streichen.
Auslöser war die Bekanntgabe der Entscheidung für Sarah Mullally als nächste Erzbischöfin von Canterbury, die in der Vergangenheit die Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften befürwortet und sich in Fragen der Abtreibung als „pro-choice“ positioniert hatte. In seiner Erklärung schreibt Mbanda: „Da die höchsten Führer der Gemeinschaft von ihrer Abkehr von der Heiligen Schrift nicht umgekehrt sind, haben wir im Gebet eine Zukunft für treue Anglikaner gesucht, in der die Bibel wieder im Mittelpunkt steht. Heute ist diese Zukunft gekommen.“
Die alten Gremien hätten „das unfehlbare Wort Gottes aufgegeben“
Die neue Gemeinschaft erkennt die Bibel sowie die Jerusalemer Erklärung von 2008 – in deren Rahmen die GAFCON entstand – und die das Prinzip „sola scriptura“ betont – als Grundlage des Glaubens an. Die Erklärung umfasst acht Grundsätze – im Zentrum steht die Bibel „in ihrem klaren und kanonischen Sinn, gelesen, gelehrt und befolgt.“
GAFCON lehnt die bisherigen „Instrumente der Gemeinschaft“ ab – den Erzbischof von Canterbury, die Lambeth-Konferenz, den Anglikanischen Konsultativrat (ACC) und die Primatenversammlung. Diese Gremien hätten, so die Begründung, „eine revisionistische Agenda verfolgt“ und „das unfehlbare Wort Gottes aufgegeben“. Die neue Struktur sieht sich als „Globale Anglikanische Gemeinschaft“, die an die ursprüngliche Struktur der Lambeth-Konferenz von 1867 anknüpft. Provinzen, die sich anschließen, sollen keine finanziellen Beiträge mehr an Canterbury leisten und keine Mittel mehr vom ACC erhalten. Grundlage der Mitgliedschaft ist die Zustimmung zur Jerusalem-Erklärung. Ein Rat der Primas soll künftig einen Vorsitzenden als „primus inter pares“ wählen. Dies wird auf der Konferenz „G26“ erwartet, die im März 2026 in Abuja (Nigeria) den Aufbau der neuen Struktur formell festigen soll.
Wie reagiert Charles III.?
GAFCON repräsentiert vor allem Kirchen des sogenannten „globalen Südens“ – von Nigeria, Uganda und Kenia über Ruanda und Tansania bis Chile und Brasilien. Ihre Mitglieder sehen sich als Bewahrer des ursprünglichen anglikanischen Glaubens in einer zunehmend liberalen westlichen Christenheit.
Die „Anglican Church in North America“ (ACNA), 2009 als Alternative zur liberalen Kirche der USA gegründet, begrüßte den Schritt. Erzbischof Steve Wood erklärte: „Was in Jerusalem begann, trägt jetzt Früchte. Wir haben die anglikanische Gemeinschaft neu organisiert.“ Auch die anglikanischen Kirchen Brasiliens und Südafrikas wurden von der neuen Gemeinschaft anerkannt – jedoch nicht von Canterbury. Offen bleibt, ob weitere Provinzen folgen – etwa Alexandria, Chile, Kongo, Kenia, Myanmar oder der Südsudan, die bislang eine neutrale Haltung wahren.
Unklar ist, wie König Charles III., Oberhaupt der Church of England, auf das Schisma reagiert. Seine Rolle ist zwar überwiegend zeremoniell, doch der symbolische Verlust seiner weltweiten geistlichen Autorität wäre beträchtlich. (DT/jg)
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